Das Leben ist kein Ponyhof
Steven Spielberg setzt auf ein Pferd: Sein neuer Film „Gefährten“ („War Horse“) ist die herzzerreißende Geschichte einer Freundschaft zwischen einem Hengst und einem Bauernbuben - und erzählt dabei gleichzeitig etwas über die Grausamkeit des Krieges.
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Albert (Jeremy Irvine), der Sohn eines armen britischen Bauern, bekommt von seinem Vater (Peter Mullan) aus nicht nachvollziehbaren Gründen ein teures edles Pferd geschenkt - denn eigentlich kann sich die Familie das gar nicht leisten. Weil der Hengst auch nicht das zähe Arbeitsvieh ist, das man dringend auf der Farm benötigt hätte, bleibt eine baldige Trennung nicht aus: Das mittlerweile Joey getaufte, von Albert heißgeliebte Tier wird bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges an die britische Kavallerie verkauft und direkt an die französische Front verschifft.
Schlammiges Schlachtfeld statt saftiger Wiesen
Und so galoppiert Joey statt über die grünen Wiesen im südenglischen Devon nun über die schlammigen Schlachtfelder an der Somme. In den Wirren der Schlacht wechselt er gemeinsam mit seinem neuen Freund Topthorn (ebenfalls ein Pferd) gleich mehrmals die Besitzer und erfährt dabei am eigenen Leib die Schrecken des Krieges. Sie geraten mit der britischen Kavallerie in einen Hinterhalt, flüchten mit deutschen Deserteuren, werden von einem französischen Bauernmädchen versteckt, um schließlich erneut von deutschen Soldaten gestohlen zu werden.

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Steven Spielberg mit Hauptdarsteller Jeremy Irvine am Set in Devon
Den 16-jährigen Albert plagen in der Zwischenzeit Sorge und Sehnsucht nach Joey so stark, dass er sich freiwillig zur Armee meldet und sich ebenfalls an die Front verschicken lässt, um sein Pferd zu suchen. Dass dieses in der Zwischenzeit noch nicht als Kanonenfutter oder Leberkäse sein Ende gefunden hat, grenzt gleich in mehreren Situationen an ein Wunder - und erklärt sich nur durch die außergewöhnliche Intelligenz des Filmtiers. Denn Joey hat zwar keine Wunderkräfte, aber ist für ein Pferd ganz besonders klug: Wenn Topthorn leidet, opfert er sich, wenn sein Herrchen pfeift, ist er zur Stelle.
Rosamunde-Pilcher-Setting ohne Understatement
Spielberg arbeitet in „Gefährten“ mit großen Bildern und stellt dabei romantisch überzeichnete Landschaft und pittoreske Rosamunde-Pilcher-Bauernidylle (saftige Wiesen, kitschige Sonnenuntergänge) der trostlosen Kriegsrealität (Regen, Schlamm, Dreck) gegenüber. Sparsamkeit und Unterstatement sind dabei seine Sache nicht: Mit enormem finanziellen Aufwand, über 5.000 Statisten und jeder Menge digitaler Effekte hat er den Film nach der Vorlage des in Großbritannien sehr beliebten Jugendbuchromans „War Horse“ von Michael Morpurgo umgesetzt.

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Für möglichst realistische Kriegsszenen scheute Spielberg keine Kosten und Mühen
Mit politischen Details und historischen Fakten setzt sich der Film nicht auseinander - die Wirren des Ersten Weltkriegs sind für Spielberg vielmehr exemplarisch und sollen verdeutlichen, dass auf dem Schlachtfeld alle Verlierer sind - egal ob Mensch oder Tier. Dafür nutzt der Regisseur auch alles, was die Töpfe der Maskenbildner hergeben, um anhand von tiefen, klaffenden Wunden im geschundenen Pferdekörper den Ernst der Lage zu verdeutlichen.
Filmhinweis
„Gefährten“ ist ab Freitag in österreichischen Kinos zu sehen.
„Vom Winde verweht“ lässt grüßen
Dass Tierliebe jedoch keine Frage der Nationalität ist, im Krieg sogar völkerverbindend wirken kann, zeigt Spielberg in einer Schlüsselszene des Films - in der ein deutscher und ein britischer Soldat mitten in der Todeszone zwischen den Fronten den schwer verletzten Joey aus dem Stacheldraht schneiden.
Für das Ende hat sich Spielberg schließlich ein besonders würdiges Vorbild in Sachen großer Gefühle genommen: Mit klaren „Vom Winde verweht“-Zitaten in Ton und Bild entlässt er das Publikum mit einer Überdosis Pathos. Zumindest in der Hollywood-Community scheint das gut anzukommen, immerhin wurde „Gefährten“ gleich in sechs Kategorien für die Oscars nominiert - darunter auch als bester Film.
Sophia Felbermair, ORF.at
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