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„Zusammenbruch“ von Recht und Ordnung

Die politischen Unruhen im Urlauberparadies Malediven weiten sich aus. Nach den Ausschreitungen in der Hauptstadt Male wurden auch Polizeistation auf zwei weiteren Inseln angegriffen. Dem gestürzten Präsidenten Mohamed Nasheed droht eine lebenslange Gefängnisstrafe.

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Ein Gericht auf den Malediven gab am Donnerstag gegen Nasheed und seinen früheren Verteidigungsminister einen Haftbefehl heraus. Die Vorwürfe gegen sie seien unklar, sagte ein Vertreter von Nasheeds Demokratischer Partei (MDP). Nasheed selbst sagte am Donnerstag gegenüber Medien in Male: „Ich hoffe, die internationale Gemeinschaft nimmt Notiz davon, was auf den Malediven passiert.“ Er hoffe, die internationale Gemeinschaft reagiere rasch, denn „morgen bin ich im Gefängnis“.

Ex-Präsident  Mohamed Nasheed und Polizisten

EBU

Ein maledivischer TV-Sender zeigt Bilder von der Verhaftung Nasheeds

„Der Heimatminister hat erklärt, dass ich der erste ehemalige Präsident sein werde, der sein ganzes Leben im Gefängnis verbringen wird“, sagte Nasheed vor rund 200 Unterstützern und Journalisten vor seinem Haus in Male. Er wirkte entspannt und gelöst. Verletzungen von dem Übergriff durch Polizisten, die ihn auf einer Demonstration verprügelt haben sollen, waren nicht zu sehen, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete.

Ex-Präsident auf Demonstration verletzt

Nach dem Rücktritt Nasheeds am Dienstag war von Medien noch von einem unblutigen Umsturz berichtet worden, angesichts der zunehmenden Unruhen wurden die ersten Eindrücke jedoch rasch widerlegt. „Die Polizei hat Menschen sehr, sehr brutal verprügelt“, schilderte auch Nasheed seine Eindrücke aus der Hauptstadt. Es gebe sehr viel Hass gegen die Polizei. Auch der Ex-Präsident selbst wurde bei einer Demonstration verletzt, wie Armeesprecher Ibrahim Asim bestätigte.

Nasheeds Cousine Eva Abdulla sagte darüber hinaus, dass mehrere Mitglieder der MDP bei den Auseinandersetzungen in der Hauptstadt verletzt worden seien. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachtete, dass die Polizei gegen Demonstranten Tränengas und Schlagstöcke einsetzte. Die Demonstranten warfen ihrerseits Steine.

Präsident zum Rücktritt gezwungen

Die Proteste eskalierten, als der im Jahr 2008 mit deutlicher Mehrheit als Präsident gewählte Nasheed von bewaffneten Beamten auf offener Straße verhaftet wurde. Nasheed wirft seinem bisherigen Stellvertreter und Nachfolger Mohamed Waheed vor, hinter dem Umsturz zu stecken. Er sei am Dienstag von bewaffneten Polizei- und Armeeoffizieren zum Rücktritt gezwungen worden, fügte Nasheed im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP hinzu.

Die MDP bezeichnete den Machtwechsel als illegitim. Der neue Präsident Waheed wies die Umsturzvorwürfe zurück. „Es ist falsch, die Vorgänge als Staatsstreich zu bezeichnen“, sagte er vor Journalisten. „Wir wussten nicht, dass das passieren würde.“

Frau und Kinder im Ausland

Unterdessen floh die Familie Nasheeds angesichts der zunehmenden Gewalt nach Sri Lanka. Seine Frau und zwei Töchter seien nach Colombo gereist, bestätigten ein Regierungssprecher in Sri Lanka und ein Familienmitglied am Donnerstag der AFP.

Unruhen in der Hauptstadt der Malediven, Male

AP/Eranga Jayawardena

Demonstrationen in der Hauptstadt Male

Soldaten sichern Fughafen

Der Bürgermeister der zweitgrößten Stadt Addu, Abdulla Sodig, sprach am Donnerstag von einem kompletten „Zusammenbruch“ von Recht und Ordnung. Von der Hauptstadt Male seien rund 300 Soldaten und bewaffnete Polizisten nach Addu entsandt worden. Diese patrouillierten nun auf den Straßen und hätten bereits Festnahmen angeordnet, sagte Sodig. Er selbst sei in seinem Büro angegriffen worden, wobei ihm das Handgelenk gebrochen worden sei.

Die Armee konzentriert sich laut Sodig vor allem auf den Schutz des Gan-Flughafens, eines wichtigen Transitflughafens für Touristen. Auch auf der Insel Thinadhoo griff eine Menge von rund eintausend Demonstranten laut der Schilderung eines Regierungsmitarbeiters sowohl eine Polizeistation als auch ein Justiz- und ein weiteres Regierungsgebäude an.

Hintergrund der Unruhen ist ein Machtkampf zwischen dem früheren Herrscher Maumoon Abdul Gayoom und Nasheed. Nach 30 Jahren an der Macht war Gayoom dem früheren politischen Gefangenen Nasheed bei der Wahl 2008 unterlegen. Im nächsten Jahr würden erneut Wahlen anstehen.

Tausende auf der Straße

Der aus 1.192 Inseln bestehende Staat im Indischen Ozean hat nur knapp 400.000 Einwohner. Mehrere tausend Menschen beteiligten sich am Mittwoch an Demonstrationen gegen den Umsturz in Male. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte, sie sei „zutiefst besorgt“ über die Lage auf den Malediven. Verfassung, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte müssten gewahrt bleiben.

Außenministerium: Keine Gefahr

Die rund 5.000 Touristen, die derzeit auf dem Inselarchipel Urlaub machen, sind von den Unruhen nicht betroffen, hieß es aus dem Außenministerium auf Nachfrage von ORF.at. Etwa 200 österreichische Touristen befinden sich derzeit auf den Malediven. Das Außenamt sei in ständigem Kontakt mit der diplomatischen Vertretung in Male und verschiedenen Reiseveranstaltern. Auf den Urlauberinseln selbst ist es ruhig, auch der Flughafen, der sich auf einer eigenen Insel befindet, ist problemlos anzufliegen. Abgeraten wird jedoch von Ausflügen in die Hauptstadt Male und in die Stadt Addu.

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