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Die Reduktion auf Farbe und Form

Yayoi Kusama gilt als eine der bedeutendsten japanischen Künstlerinnen der Nachkriegszeit. Im Alter von 82 Jahren und nach einer internationalen Karriere widmet ihr die Londoner Tate Modern die erste große Retrospektive.

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Berühmt wurde die Japanerin durch ihr Leitmotiv, das sich seit über 60 Jahren durch ihr Werk zieht - die „Polka Dots“: Punkte in allen Farben, auf unterschiedlichsten Materialien, in Form von Gemälden und als Rauminstallationen. Um an der Eröffnung ihrer Ausstellung teilnehmen zu können, verließ Kusama zum ersten Mal seit zwölf Jahren ihre Heimat Japan, wo sie bereits seit den späten 1970er Jahren in einer Nervenheilanstalt lebt und arbeitet.

Yayoi Kusama vor einem ihrer Kunstwerke

AP/Kirsty Wigglesworth

Yayoi Kusama bei der Präsentation der Retrospektive in London

Wahnvorstellungen von Punkten und Netzen

Ihre geistige Krankheit zeigte sich schon früh in ihrer Kindheit, die von einem strengen Elternhaus geprägt war. Kusama war bereits als Jugendliche gezwungen, während des Zweiten Weltkriegs in einer Fallschirmfabrik zu arbeiten. „Ich sah auf das rote Muster der Tischdecke. Als ich aufblickte, bedeckte dasselbe rote Muster die Decke, die Fenster und die Wände“, beschrieb Kusama ihre Wahnvorstellungen.

Eine Fotografie in Pink aus dem Jahre 1965 zeigt Yayio Kusama

Yayoi Kusama und Yayoi Kusama Studios Inc.

Kusama hat sich als Malerin, Performerin, Schriftstellerin, Video-, Installations- und Fotokünstlerin einen Namen gemacht

„Ich begann mich selbst aufzulösen und fand mich in der Unbegrenztheit von nicht endender Zeit und in der Absolutheit der Fläche wieder. Ich reduzierte mich auf ein absolutes Nichts.“ Diese Gefühle verarbeitete Kusama schon ab ihrer Kindheit künstlerisch in Form von Zeichnungen, in denen sie die Muster aus ihren Halluzinationen verarbeitete. Sie habe ihre Krankheit durch ihre Kunst kanalisieren können, so Kusama gegenüber dem „Guardian“ in einem Interview anlässlich der Tate-Modern-Ausstellung.

Aufarbeitung sexueller Ängste

Nach dem Besuch der School of Arts and Crafts in Kyoto gelang es Kusama sich landesweit als Künstlerin einen Namen zu machen, wenngleich sie in der Kunstwelt damals weitgehend abgelehnt wurde. Im Zuge ihrer New Yorker Ausstellung 1955 beschloss sie, Japan den Rücken zu kehren und künftig in den USA zu leben.

In den 1960er Jahren begann Kusama neben den Halluzinationen auch ihre sexuellen Ängste künstlerisch aufzuarbeiten - in Form von der Auseinandersetzung mit phallischen Formen, etwa indem sie Haushaltsgegenstände lückenlos mit phallusartigen Stoffwülsten überzog. Schuld an ihrem schwierigen Verhältnis zu Männern sei ihr Vater, so Kusama im „Guardian“-Interview. „Ich habe nicht viele positive Gefühle Männern gegenüber. Ich hatte seit Jahrzehnten keinen Sex mit Männern.“

Aufsehenerregende Nacktperformances

Mitte der 1960er Jahre begann sie, sich auch mit Fotografie und darüber hinaus mit Happenings und Performances zu beschäftigen. Immer wieder sorgte Kusama für Aufsehen, indem sie in der Öffentlichkeit nackte Menschen mit Punkten zeigte, um symbolisch die Grenzen zwischen Kunst, Mensch und Umwelt aufzulösen.

Inspiriert von den Ideen der Hippiebewegung gründete sie mehrere Unternehmen wie das Modelabel Kusama Fashions und das nicht jugendfreie Magazin „Kusamas Orgy“. Nachdem sie damit nicht an ihre vergangenen Erfolge anknüpfen konnte und sich zudem ihre psychischen Probleme verstärkten, zog sie sich 1973 nach Japan zurück, wo sie seitdem in einer Nervenheilanstalt lebt.

Ausstellungshinweis

Die Retrospektive „Yayoi Kusama“ ist bis 5. Juni in der Tate Modern in London zu sehen.

Ihre Karriere und die Arbeit an ihrem Gesamtwerk mit Variationen der „Polka Dots“ und „Infinity Nets“ setzte Kusama jedoch fort. Nach mehreren Einzelausstellungen in Japan wurden ihre Werke 1993 auf der 44. Berlinale in Venedig gezeigt, die Kunsthalle Wien widmete ihr 2002 eine Personale.

Kollektion für Louis Vuitton

Zu den Anhängern der Japanerin zählen auch zahlreiche Prominente, darunter Louis-Vuitton-Kreativdirektor Marc Jacobs, der nun sogar eine Kollektion in Zusammenarbeit mit Kusama vorbereitet, wie die Modezeitschrift „Vogue“ berichtete.

Kunstliebhaber Jacobs konnte zuvor schon Stephen Sprouse, Richard Prince und Takashi Murakami für Kooperationen gewinnen. Mit Kusama sollen nun Accessoires, Lederwaren, Schuhe, Uhren und Schmuck designt werden, die ab Juli in den Louis-Vuitton-Boutiquen erhältlich sein sollen.

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