Nicht nur nicht gesund, sondern schädlich?
Die deutsche Verbraucherorganisation Foodwatch hat den Nahrungsmittelkonzern Unilever wegen dessen Aussagen zu der angeblich den Cholesterinspiegel senkenden Margarine Becel pro.activ geklagt. Foodwatch habe beim Landgericht Hamburg eine Unterlassungsklage eingereicht, teilte die Organisation Anfang Februar in Berlin mit.
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Die Klage richtet sich laut Foodwatch gegen die unter Berufung auf Forscher getroffene Aussage, dass es „aus wissenschaftlicher Sicht keinen Hinweis“ auf Nebenwirkungen bei der Margarine gebe. Die Organisation erklärte, die zugesetzten Pflanzensterine seien unter Experten umstritten. Sie stünden im Verdacht, „genau das zu verursachen, was sie eigentlich verhindern sollen: nämlich Ablagerungen in Gefäßen und ein erhöhtes Risiko für Herzkrankheiten“.
Sterine erlaubt, aber genehmigungspflichtig
Sterine sind fettähnliche Substanzen ähnlich dem Cholesterin, die in der Natur etwa in Pflanzen vorkommen. Der Stoff verdrängt nach Informationen des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) im menschlichen Darm Cholesterin, so dass weniger davon in den Körper aufgenommen wird. Außer Margarine gibt es im Handel auch mit Sterin angereicherte Milchprodukte wie Trinkjoghurt und Käse sowie Brot. Der Zusatz ist EU-weit in zahlreichen Produkten erlaubt. Es ist aber eine Genehmigung nötig. Zudem muss die Packung bestimmte Hinweise tragen.
Unilever bleibt „gelassen“
Ein Unilever-Sprecher wies die Vorwürfe zurück und sagte, der Konzern sehe der Klage „extrem gelassen“ entgegen. Unilever widersprach dem Foodwatch-Vorwurf energisch. „Wir sind absolut überzeugt von dem Produkt und seiner positiven Wirkung auf die Gesundheit“, betonte der Unternehmenssprecher.

Becel.at
Verpackung der „Wundermargarine“ Becel pro.activ
Im November, als Foodwatch die Margarine schon einmal öffentlich ins Visier genommen hatte, hatte der Konzern erklärt, die Organisation stelle Fakten in falschen Zusammenhang und ignoriere den aktuellen Stand der Forschung. Die Sicherheit der zugesetzten Substanz sei von verschiedenen Institutionen „umfassend positiv“ bewertet worden. Gesundheitliche Risiken durch das Produkt seien nicht bekannt.
Foodwatch: Unilever ignoriert Warnungen
Foodwatch-Experte Oliver Huizinga sagte dagegen: „Die Behauptung, es gebe keine Hinweise auf Nebenwirkungen, ist absolut haltlos.“ Unilever blende kritische wissenschaftliche Stimmen und ernstzunehmende Hinweise auf Nebenwirkungen bei Pflanzensterinen aus. Mit der Klage wolle Foodwatch verhindern, dass Risiken und Nebenwirkungen der Margarine verschleiert würden.
Heftige Kritik an Nebenwirkungen
Es ist nicht die erste Kritik, die an dem Produkt geübt wird: Die deutsche Stiftung Warentest bezeichnete im Jahr 2002 die Margarine als „cholesterinsenkendes Medikament“ und warnte gleichzeitig davor, dass durch den Verzehr Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Probleme und Kopfschmerzen nicht ausgeschlossen seien. Die Hinweise auf mögliche Risiken fehlten auf der Verpackung. So werde nur darauf hingewiesen, dass ein Verzehr für Schwangere, Stillende und Kleinkinder unter fünf Jahren „unter Umständen nicht zweckmäßig“ sei.
In Deutschland hatte sich sogar das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin gegen eine Zulassung als funktionelles Lebensmittel ausgesprochen. Grund sind mehrere Nebenwirkungen, die durch Studien dokumentiert wurden. Dazu zählen eine Beeinflussung der Darmflora, Wirkungen auf Sexualhormone, Magen-Darm-Probleme und die bereits erwähnten Kopfschmerzen.
Erlaubnis von Arzt einholen?
„Menschen mit normalen Cholesterinwerten sollten auf den Verzehr von Lebensmitteln mit zugesetzten Pflanzensterinen verzichten“, empfahl das Institut. Menschen mit erhöhten Cholesterinwerten sollten mit ihrem Arzt besprechen, ob sie die Margarine verwenden können, sagte ein BfR-Sprecher am Dienstag. „Ein cholesterinsenkender Effekt kann auch zu viel werden, wenn man gleichzeitig noch Medikamente nimmt.“
Die deutsche „Ärzte Zeitung“ schrieb in einem 2008 erschienenen Artikel, dass pflanzliche Sterine womöglich sogar ein eigenständiger Risikofaktor für Herzkrankheiten sind.
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