Chaos in Bosporus-Metropole
Europa leidet unter einer Kältewelle. Von Italien bis zur Ukraine sorgen die Ausläufer der sibirischen Kälte für teils extreme Temperaturen und Schneemassen. Auch in der Türkei herrscht Winterchaos. In der Metropole Istanbul kam der Verkehr wegen der Schneemassen teils zum Erliegen.
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Bei Schneehöhen von bis zu einem halben Meter brach der Busverkehr in Istanbul am Mittwoch vorübergehend zusammen. Trotz des Dauereinsatzes von Räumfahrzeugen waren wegen des heftigen Schneefalls selbst Hauptverkehrsstraßen zeitweise unpassierbar, meldeten türkische Medien. Der türkische Nachrichtensender NTV berichtete, viele Pendler hätten ihre Fahrzeuge auf der Straße zurücklassen und zur Arbeit gehen müssen. Das staatliche Wetteramt warnte vor weiterem Schneefall und heftigem Wind.

Reuters/Osman Orsal
Ungewöhnlich große Schneemengen gingen auf Istanbul nieder
Fähr- und Flugverbindungen storniert
Die Räumfahrzeuge hatten in der Nacht und Mittwochfrüh alle Mühe, die beiden Istanbuler Autobahnbrücken über den Bosporus einigermaßen schneefrei zu halten. Die Expressbuslinie „Metrobüs“, mit der jeden Tag mehrere zehntausend Menschen aus den Istanbuler Außenbezirken zur Arbeit fahren, wurde zur Hauptverkehrszeit Mittwochfrüh zeitweise eingestellt. Auch viele Fähr- und Flugverbindungen wurden storniert. Auf dem Istanbuler Atatürk-Flughafen fielen allein am Mittwochvormittag fast 90 Flüge aus. Transitpassagiere wurden in Hotels gebracht.
In Außenbezirken auf der europäischen Seite Istanbuls wurden Schneehöhen von bis zu 50 Zentimetern gemessen. Das für die 14-Millionen-Stadt ungewöhnlich schneereiche Winterwetter hatte am vergangenen Wochenende eingesetzt. Meteorologen sagen ab Donnerstag eine allmähliche Erwärmung voraus. Auch dann könnte es allerdings Probleme geben: Den Vorhersagen zufolge wird der Schnee durch heftigen Regen abgelöst.
Athen: Schnee auf der Akropolis
Die Ausläufer der sibirischen Kälte erreichten auch Athen. Schneeflocken fielen Mittwochfrüh auf den Akropolis-Hügel, doch der Schnee blieb dort bei etwa ein Grad Celsius nicht liegen. In einigen Vororten der griechischen Hauptstadt lag zeitweise eine etwa drei Zentimeter dicke Schneedecke auf den Straßen. In Athen schneit es nur alle paar Jahre. Freiwillige Helfer versorgten dort und in anderen Städten Obdachlose mit warmen Getränken, Decken und Schlafsäcken, wie das Fernsehen berichtete. Allein in der 4,5-Millionen-Metropole Athen sind mehr als 20.000 Menschen obdachlos. Rund ein Drittel davon verloren wegen der schweren Finanzkrise in den vergangenen zwei Jahren ihr Zuhause.
In Nordgriechenland herrschten in der Nacht auf Mittwoch sogar Temperaturen von bis zu minus 15 Grad. Zahlreiche Schulen in Nord- und Mittelgriechenland blieben den zweiten Tag in Folge geschlossen. Viele Fährverbindungen fielen wegen stürmischer Winde in der Ägäis aus. Schnee fiel auch auf den Bergen und im hügeligen Hinterland von Kreta, berichtete der lokale Rundfunk ERA-Iraklion.
Verkehrsprobleme in Italien
Eine Kältewelle hat auch Italien fest im Griff: In mehreren nördlichen Regionen kam es zu heftigen Schneefällen. Über Florenz und Bologna gingen Mittwochfrüh dicke Flocken nieder. In der Region Emilia Romagna mussten einige Autobahnabschnitte gesperrt werden. Wegen des heftigen Schnees kam es zu Verkehrsproblemen im Raum von Mailand. Der Lkw-Verkehr wurde gestoppt. Auch bei regionalen Bahnverbindungen kam es zu Verzögerungen.
In den kommenden Tagen sollen die Temperaturen in Italien noch weiter fallen. Heftige Niederschläge wurden in Rom gemeldet. In der Ewigen Stadt wurde bis Freitag weiße Pracht erwartet. Zu Schneefällen kam es auch in den Bergen der süditalienischen Regionen Kalabrien und Basilikata. Die Meteorologen rechneten mit weiteren Niederschlägen in den kommenden Tagen.
Schnee setzt Südfrankreich zu
Nach starken Schneefällen im Südosten Frankreichs ist in mehr als 40.000 Haushalten der Strom ausgefallen. Betroffen waren am Mittwoch vor allem die Küstenbezirke Var und Alpes-Maritimes sowie die Mittelmeerinsel Korsika. Techniker arbeiteten daran, beschädigte Leitungen zu reparieren, wie die Behörden mitteilten.
Neben den Stromausfällen behinderten auch glatte Straßen den Alltag vieler Menschen in Frankreich. Zahlreiche Strecken waren zeitweise nicht oder nur schwer befahrbar. Im Zentrum der Urlauberinsel Korsika lagen stellenweise bis zu 40 Zentimeter Schnee. Am kältesten war es am Mittwoch im Norden und Nordosten Frankreichs. Dort rechnete der Wetterdienst Meteo-France mit gefühlten Temperaturen von bis zu minus 14 Grad.
Minus elf Grad in Berlin
Die Kälte aus Russland drückt auch die Temperaturen in Deutschland weiter in den Keller. In der Nacht zum Mittwoch seien die tiefsten Werte vor allem in Ostdeutschland gemessen worden, sagte Meteorologe Helmut Malewski vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach. Am kältesten sei es in der Nacht aber mit minus 15,9 Grad auf dem Großen Arber im Bayerischen Wald gewesen. Am Mittwochvormittag hätten die Thermometer in Berlin noch minus elf Grad angezeigt. In München wurden minus neun Grad gemessen, in Hamburg minus sieben.
In den nächsten Tagen soll es noch frostiger werden. Am Donnerstag könnten in Berlin bis minus 15 Grad gemessen werden, sagte Malewski. Auch tagsüber sollen die Temperaturen vielerorts in den zweistelligen Minusbereich rutschen. Durch den Wind sei die gefühlte Temperatur sogar noch deutlich niedriger und werde als sehr unangenehm empfunden, sagte Malewski.
Ukraine: Zahl der Toten steigt
Die Kältewelle in Europa kostet in der Ukraine immer mehr Menschen das Leben: Wegen des starken Frosts mit Temperaturen um minus 30 Grad sind in der Ex-Sowjetrepublik erneut 13 Menschen erfroren. Damit starben in dem Land als Folge des harten Winters in den vergangenen Tagen mindestens 43 Menschen, teilte das Zivilschutzministerium am Mittwoch in Kiew mit. Hunderte liegen weiter mit Erfrierungen in Krankenhäusern. Die meisten Kälteopfer sind Obdachlose. Allein seit dem Vortag hätten sich im Ausrichterland der Fußball-Europameisterschaft 2012 etwa 7.500 Menschen in öffentlichen Wärmestuben mit kostenlosem Essen und Getränken versorgt.
In Rumänien zählten die Behörden in rund 24 Stunden sechs Kältetote. Damit stieg die Zahl der Opfer des derzeitigen Extremfrostes auf 14, teilte das Gesundheitsministerium in Bukarest am Mittwoch mit. In Bukarest gab es auch Probleme mit der Wärmeversorgung. Dort fiel über Nacht in vielen Gebäuden zeitweise die Heizung aus, weil der Gasdruck in den Leitungen nachließ.
Warschau: Kaum Menschen unterwegs
Die klirrende Kälte lässt auch viele Polen weiter leiden: In der vergangenen Nacht erfroren nach Angaben des Warschauer Innenministeriums sieben Menschen. Unter ihnen seien auch zwei Angler, die trotz eisiger Temperaturen am Ufer des masurischen Sniardwy-See fischen gegangen waren. Bei Tagestemperaturen bis minus 20 Grad waren auf den Straßen Warschaus am Mittwoch nur diejenigen unterwegs, die den Gang nach draußen nicht vermeiden konnten. Das polnische Fernsehen zeigte Rentner, die in voller Winterbekleidung in ihren Altbauwohnungen saßen. Kohleöfen reichten angesichts der Kälte oft nicht mehr zum Heizen aus.
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