Sechs Millionen Kunden verloren
Erstmals seit den 90ern hat sich die deutsche Unternehmerfamilie Schlecker am Montag bei einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit gewandt. Vor einer Woche meldete die gleichnamige Drogeriekette in Deutschland Insolvenz an. Die Tochter des Schlecker-Gründers Anton Schlecker, Meike, sagte, dass das „komplette Vermögen des Unternehmens und der Besitzer aufgebraucht“ sei: „Es ist nichts mehr da.“
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Damit trat sie Vorwürfen und Gerüchten entgegen, dass die Familie Geld zur Seite geschafft habe. „Das ist falsch“, stellte Meike Schlecker klar. „Das Vermögen meines Vaters war immer das Unternehmen.“ Die Familie habe in den vergangenen drei Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag in das Geschäft gepumpt, um die Restrukturierung voranzutreiben.
Das sei mit der Privatpleite des Eigentümers nun nicht mehr möglich. Ein zweistelliger Millionenbetrag sei nicht mehr aufzutreiben gewesen. Offenbar ging es dabei um eine Zahlung an die Einkaufsgemeinschaft Markant. Meike Schlecker: „Es ist kein signifikantes Vermögen mehr da, das dem Unternehmen hätte helfen können.“

Reuters/Michael Dalder
Die erste Pressekonferenz von Schlecker seit den 90er Jahren
Lieferungen wieder aufgenommen
Der Großteil der Lieferanten sicherte laut Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz die weitere Belieferung der Drogeriekette zu und ermöglicht dadurch, dass die Filialen vorläufig fortgeführt werden können. Neben dem entscheidenden Lieferanten Markant-Gruppe stimmten dem rund 140 weitere Unternehmen zu, darunter auch Großkonzerne wie Procter & Gamble, Beiersdorf, Unilever und Henkel. Der Konsumgüterkonzern Unilever hatte vergangene Woche einen Lieferstopp für die deutschen Schlecker-Filialen verhängt.
Einkaufsgemeinschaft Markant
In der Markant-Gruppe sind in Deutschland rund 100 mittelständische Unternehmen zusammengeschlossen, darunter Schlecker, dm und Rossmann. Sie wickeln einen Teil ihres Warenflusses über Markant ab. Die Waren werden über die Kooperation für ihre Mitglieder bestellt und bezahlt. Die Mitglieder bezahlen Gebühren für diese Leistung.
Die rund 32.000 in Deutschland betroffenen Mitarbeiter erhielten bis März ihre Gehälter aus dem Insolvenzgeld, betonte der Insolvenzverwalter. Was danach geschieht, daran werde derzeit mit der Eigentümerfamilie, den Gläubigern und den Arbeitnehmervertretern gearbeitet. Es gibt laut Geiwitz ein erstes Konzept, an dem gearbeitet werde. Er will sich nun auf das Auslandsgeschäft stützen, das bisher - etwa in Österreich - nicht zahlungsunfähig ist. Diese Vermögenswerte könnten Schlecker in Deutschland stützen, hofft Geiwitz.
Etwas konkreter wurde Schlecker-Finanzchef Sami Sagur bei der Pressekonferenz am Montag. Demnach stehe auch das Auslandsgeschäft des Familienunternehmens, darunter auch Schlecker Österreich, zur Disposition.
In Deutschland wechselten laut einer Analyse von GfK Nürnberg in den vergangenen fünf Jahren rund sechs Millionen Kunden zur Konkurrenz. Rund 40 Prozent von Schleckers fehlenden Umsätzen landeten demnach bei den Konkurrenten wie dm und Rossmann. GfK macht dafür die zahlreichen Schließungen von Geschäften und das schlechte Image von Schlecker verantwortlich.
Einfluss von Insolvenzverwalter ausgeweitet
Im Vorfeld hatte es Bedenken der Gläubiger gegeben, einer Planinsolvenz in Eigenverwaltung zuzustimmen. Denn dabei könnten Gesellschafter und Management weiter über das Unternehmen bestimmen. Die Gläubiger müssten freiwillig auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.
Insolvenzverwalter Geiwitz wird bei der Zukunft Schleckers nun eine wesentliche Rolle spielen. Das Amtsgericht habe am Montag eine „vorläufig starke Verwaltung“ angeordnet, so Geiwitz. Dadurch weitete sich der Einfluss des Insolvenzverwalters aus. Er bekommt nun mehr Befugnisse, um dadurch etwa die Mieten für die Filialen zu sichern. Eine entschuldete Firma solle dann mit Zustimmung der Gläubiger von den Kindern des Eigentümers, Meike und Lars, fortgeführt werden. Geiwitz: „Für eine Zerrupfung des Konzerns bin ich nicht zu haben.“
Schlecker als Genossenschaft?
Die Arbeitnehmervertreter haben bereits andere Ideen für die Zukunft von Schlecker. Mit der Gewerkschaft ver.di laufen bereits Gespräche. Viel Geduld haben die Arbeitnehmer nicht. „So gut wie Anton Schlecker können wir es selber, wir können eine eigene Genossenschaft daraus machen“, fordert etwa Bernd Riexinger, Geschäftsführer des ver.di-Bezirks Stuttgart, gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“.
Schlecker als Genossenschaft sei machbar, entscheidend sei, ob eine „selbsttragende Bewegung daraus wird“, so auch Michael Schlecht, für die Linke im Bundestag und ehemaliger Chefvolkswirt bei ver.di: „Im Fall Schlecker geht es auch um die Eigentumsfrage.“
Staatshilfe für Investoren möglich
Wer auch immer in Schlecker investiert, das deutsche Bundesland Baden-Württemberg stellte potenziellen Investoren staatliche Hilfe in Aussicht. „Sollte das Insolvenzverfahren auf eine Investorenlösung hinauslaufen und ein Investor ein tragfähiges Konzept vorlegen, ist eine Bürgschaft des Landes Baden-Württemberg denkbar“, sagte der baden-württembergische Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) gegenüber der „WirtschaftsWoche“. Direkte Hilfskredite wurden allerdings ausgeschlossen.
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