Alte Flagge auf Stadttor gehisst
Nach acht Monaten Bürgerkrieg und dem gewaltsamen Tod von Machthaber Muammar al-Gaddafi Ende Oktober hat sich die Lage in Libyen vorerst relativ rasch beruhigt. Doch in letzter Zeit schüren Proteste gegen die Übergangsregierung und Rivalitäten zwischen unterschiedlichen Fraktionen der Rebellenmilizen Ängste vor neuen Konflikten.
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Zu Wochenbeginn kam es außerdem zu einer Reihe von Angriffen Gaddafi-loyaler Kämpfer auf mehrere Städte. Dabei seien mehrere Angehörige der oppositionellen Milizen getötet worden, berichtete die Nachrichtenagentur AP am Dienstag. Zu Angriffen sei es ab Montag in der westlibyschen Stadt Bani Walid, der Hauptstadt Tripolis und der Stadt Bengasi gekommen. Es sei nicht klar, ob die Attacken koordiniert waren, hieß es. In Bani Walid waren zuletzt im November rund 15 Menschen bei einem Angriff von Pro-Gaddafi-Kämpfern erschossen worden.
Gefechte mit Sturmgewehren und Granaten
Die ersten Gefechte ereigneten sich in Bani Walid, zitierte AP den Sprecher der dortigen Revolutionsbrigaden, Mahmud al-Warfali. Mehrere Angehörige der Truppe seien dabei ums Leben gekommen. Die Stadt war während des Bürgerkriegs eine der Bastionen Gaddafi-treuer Verbände und wurde erst relativ spät von den Rebellen eingenommen. Laut Warfali lieferten rund 150 mit Granatwerfern und AK-47-Sturmgewehren bewaffnete Anhänger des getöteten Revolutionsführers den Milizen der Übergangsregierung Straßenkämpfe.
Außerdem sei es ihnen gelungen, die alte, grüne Fahne auf einem Stadttor zu hissen. „Das sind Gaddafi-Treue, die die Stadt erobern wollten“, so Warfali. „Sie haben es auch schon früher versucht und wollten die Büros der Übergangsregierung besetzen.“ Danach hätten sich die Kämpfe auf mehrere Stadtviertel ausgedehnt.
Truppen aus Tripolis angefordert
Der Vorsitzende des Übergangsrates, Mustafa Abdel Dschalil, entsandte daraufhin Einheiten des Verteidigungsministeriums, um die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen. Aus der libyschen Luftwaffe hieß es, es seien Kampfflugzeuge geschickt worden. Ein Sprecher des Militärrates in al-Sawija sagte, es sei eine Truppe von 1.500 Mann in Bereitschaft versetzt worden. Zeitweise hatte es am Montag geheißen, die Anhänger des früheren Regimes hätten die Kontrolle über Bani Walid übernommen.
Ebenfalls am Montag starben laut Kommando der Truppen des Übergangsrats in Bengasi mehrere Soldaten. In der Stadt im Osten Libyens hatte der Aufstand gegen Gaddafi vor mittlerweile fast einem Jahr begonnen. Laut einem lokalen Kommandeur in Tripolis, Abdel Rahman al-Soghajar, kam es am Montagabend auch in einigen Vierteln der Hauptstadt zu Schießereien. Er nannte Gaddafi-loyale „Schläferzellen“ als Verantwortliche. Über mögliche Opfer gab es aus Tripolis keine Angaben.
Auch im Dschabal Nafusa, einem Bergland im Nordwesten, soll es zu Gefechten gekommen sein, sagte Soghajar. Verbände der Revolutionsbrigaden seien wegen der Kämpfe in Alarmbereitschaft versetzt und Kontrollposten auch auf Überlandverbindungen errichtet worden.
Übergangsrat warnt vor Bürgerkrieg
Versprengte Gaddafi-Loyale sind allerdings nicht das einzige Problem des Übergangsrats. Er kämpft auch mit zunehmender Unruhe in der Bevölkerung. Am Wochenende kam es in Bengasi zu Demonstrationen, anlässlich derer Dschalil vor einem Bürgerkrieg warnte, sollte die Übergangsregierung zerbrechen. Ohne das näher zu erklären, sprach Dschalil von „versteckten Händen“, welche die Demonstranten anstachelten. Laut dem Fernsehsender al-Arabija hatten am Samstag wütende Bürger Büros des Übergangsrats in Bengasi mit Steinen und Brandsätzen attackiert.
Zu Demonstrationen kommt es in Libyen bereits seit mehreren Wochen. Als Grund dafür nannte der Sender al-Jazeera zuletzt vor allem die Unzufriedenheit mit der Umsetzung der versprochenen demokratischen Reformen bzw. deren Tempo.
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