Teure Zahlenspiele
Schweden plant, sein Telefonsystem radikal zu reformieren. Die Ortsnetzkennzahl soll ihre Bedeutung verlieren, möglicherweise auch die Vorwahl für Mobilfunknetze. Laut einer aktuellen Studie wird es rund 68 Millionen Euro kosten und bis zu zehn Jahre dauern, das Vorhaben umzusetzen.
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Anfang Jänner hat die Nationale Post- und Telekombehörde Schwedens (PTS) diese Ergebnisse in einer Studie veröffentlicht, die sie 2010 in Auftrag gegeben hatte. Sie wollte damit Medienberichten vom Dezember Kontra geben, in denen es geheißen hatte, dass die Umstellung bis zu elf Milliarden Kronen (1,2 Mrd. Euro) kosten könnte. Das habe sich aber auf frühere Pläne bezogen, bei deren Umsetzung jeder Teilnehmer seine Nummer hätte ändern müssen, so die Behörde.
Der Regulator schreibt, dass der technische Wandel in den Netzen und ein voraussichtlicher Mangel an Telefonnummern ihn zum Handeln zwingen würden. Auf Grundlage seiner Untersuchungen hat er nun zwei Handlungsalternativen zur Diskussion gestellt.
Telefonnummern mitnehmen
Um landesweit mehr Nummern für neue Anschlüsse und Dienste zur Verfügung zu haben, sollen - so der erste Vorschlag - die früheren Ortsnetzkennzahlen ihre Bedeutung verlieren. Ein Kunde soll dann, wenn er es wünscht, seine Rufnummer auch dann behalten können, wenn er von einer Stadt in eine andere zieht - in der Fachsprache heißt diese Möglichkeit „geografische Portabilität“.
Die zweite Option sieht vor, zusätzlich die Unterscheidung zwischen Festnetz- und Mobilfunknummern aufzuheben. Damit wäre es auch möglich, eine Festnetznummer ohne weitere Maßnahmen als Mobiltelefonnummer zu verwenden, beispielsweise wenn ein Kunde sich dazu entschließen sollte, seinen Festnetzanschluss zugunsten eines Handys ganz aufzugeben.
Vorreiter Schweiz
Die Regulierungsbehörde hat nun alle Interessengruppen dazu aufgefordert, über die Handlungsoptionen zu diskutieren, um möglichst noch im laufenden Jahr eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen zu können. Fünf bis zehn Jahre werde es dauern, bis der gewählte Plan dann umgesetzt sei.
Ein Land, das schon früh die Verschmelzung der Ortsvorwahl mit dem Rest der Telefonnummer, genannt „Flat Numbering“, diskutiert und schließlich eingeführt hat, ist die Schweiz. Dort hat die Eidgenössische Kommunikationskommission (ComCom) bereits im März 2000 beschlossen, Vor- und Nachwahl zu vereinen und im ganzen Land zehnstellige Telefonnummern durchzusetzen - womit die einzige zweistellige Vorwahl, die 01 für Zürich, ersetzt werden musste. Das geschah im Kontext der Liberalisierung des Telekommarkts zum 1. Jänner 1998.
Lange Umstellungszeit
2002 trat der erste und wichtigste Teil der Reform in Kraft, auch bei Gesprächen innerhalb eines Ortes musste von nun an die Vorwahl mitgewählt werden. Außerdem wurde ab diesem Zeitpunkt auch die Möglichkeit eingeführt, bei einem Umzug von einer Stadt in die andere seine Telefonnummer mitnehmen zu können - allerdings blieb es den Providern überlassen, ob sie ihren Kunden diese Option anbieten oder nicht. Völlig abgeschlossen war die Reform erst am 1. April 2007 mit der Abschaltung der Zürcher Vorwahl.
Bezieht man die ersten Diskussionen über den neuen Nummerierungsplan mit ein, die bereits 1997 geführt wurden, so hat die Umstellung in der Schweiz tatsächlich ein Jahrzehnt gedauert. Billig war sie auch nicht. Auf Anfrage von ORF.at teilte das Schweizer Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) mit, dass sich die effektiven Zusatzkosten für die Umstellung gemäß einer Studie aus dem Jahr 1999 auf zwischen 476,4 und 520,4 Millionen Schweizer Franken bewegt haben (heute 392 bzw. 428 Mio. Euro) - ein deutlich höherer Betrag als jener, den die schwedische Behörde errechnet hat.
Belastung für Unternehmenskunden
Den größten Teil der Kosten (400 Mio. Franken) mussten demnach die Unternehmenskunden tragen, der Aufwand des größten Providers, der Swisscom, wurde auf 40 bis 80 Millionen Franken geschätzt, auf die Privathaushalte entfielen 30 Millionen, der Rest verteilte sich auf die damals noch jungen alternativen Anbieter sowie die Verwaltungskosten in der Regulierungsbehörde. „Der weitaus höchste Anteil entfällt dabei auf die Anpassungen bei Drucksachen und Beschriftungen sowie bei der Software und den Datenbanken“, so die Mitteilung des BAKOM.
Die Schätzung der schwedischen Regulatoren, nach der der Löwenanteil der Umstellungskosten bei den Providern hängen bleiben würde und bei den Endverbrauchern „keine direkten Kosten“ anfallen würden, scheint also sehr optimistisch zu sein. In der Eidgenossenschaft hat man auf die Option, auch die Trennung zwischen Fest- und Mobilnetz im Nummernplan aufzugeben, übrigens verzichtet.
Hoher Nutzen für Provider
Den volkswirtschaftlichen Nutzen sieht die Regulierungsbehörde der Schweiz vor allem in der Beseitigung von Wettbewerbsproblemen im Rahmen der Privatisierung: „Besonders relevant ist hier die Behinderung zwischen den Anbietern durch ungleiche Nummernlängen bei Gesprächen innerhalb der Netzgruppe.“ Den Nutzen der Umnummerierung beziffert das BAKOM mit rund 500 Millionen Franken (413 Mio. Euro) - pro Jahr.
In Österreich sei „Flat Numbering“ im Augenblick kein Thema, so die Regulierungsbehörde RTR auf Anfrage von ORF.at. Eine dahingehende Aufweichung des Rufnummernplans sei „derzeit nicht vorgesehen“, heißt es. Statt geografischer Portabilität von Festnetzrufnummern sieht die österreichische Kommunikationsparameterverordnung standortunabhängige Rufnummern unter der Vorwahl (0)720 vor, die auch Privatpersonen beantragen können. Ein ähnliches Modell ist auch in Deutschland in Kraft.
Laut Auskunft des Schweizer Telefoniemarktführers Swisscom gegenüber ORF.at liegt die Anzahl der geografischen Portierungen von einem Vorwahlbereich in einen anderen „auf gleich bleibend sehr tiefem Niveau“. Bei Umzügen innerhalb eines Vorwahlbereichs würden die Kunden ihre Nummer aber gern behalten.
Günter Hack, ORF.at
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