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„Eskalierender Krieg“ im Kultursektor

Wenn 2012 das Politbüro der chinesischen Kommunistischen Partei (KP) zusammentritt, wird ein Machtwechsel vollzogen. Schon jetzt stellt die alte Führung die Weichen für die Jahre danach. Einer der Schwerpunkte dabei: Westliche Kultur soll verdrängt, chinesische Kultur gefördert werden.

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Noch vor zehn Jahren soll es in ganz China nicht viel mehr als 1.500 Kinosäle gegeben haben. Doch längst ist die Filmindustrie mit dem Wirtschaftswachstum mitgezogen - die neue Mittelschicht verlangt nach großen Stars auf der Leinwand. Einen Löwenanteil vom beträchtlichen Kuchen bekommen aber trotz aller Restriktionen Hollywood-Studios ab. Ähnlich sieht es in der Musikindustrie aus: Lady Gaga bringt am meisten ein. Nun entdeckt die chinesische Führung neuen Nationalstolz für sich.

„Feindliche Kräfte“ am Werk

Unter dem Namen von Präsident Hu Jintao persönlich erschien Anfang Jänner ein Artikel in einem noch von Mao Zedong gegründeten Parteiblatt, in dem die Haltung der KP zu wichtigen Themen diskutiert wird. In seinem Essay, aus dem die „New York Times“ zitiert, kündigt er eine scharfe Trennlinie zwischen westlicher und chinesischer Kultur an. Diese befänden sich in einem „eskalierenden Krieg“.

„Wir müssen klar erkennen, dass feindliche internationale Kräfte ihre Strategie intensivieren, China zu ‚verwestlichen‘ und zu spalten. Sie fokussieren sich mit ihrer Langzeitinfiltrierung auf das ideologische und kulturelle Feld.“ Hu kündigte außerdem „entschiedene Maßnahmen“ an.

Einerseits dürfte das strenge Reglement, nach dem entschieden wird, welche westlichen Filme in wie vielen Kinos gezeigt werden, weiter verschärft werden. Andererseits soll massiv in die chinesische Kulturindustrie investiert werden. Es müssten Kulturgüter geschaffen werden, die „den wachsenden spirituellen und kulturellen Bedürfnissen des Volkes“ angepasst seien.

Strikte Vorgaben für einheimische Produktionen

Schon bei der letzten Sitzung des Zentralkomitees drehte sich alles um „sozialistische Kernwerte“ sowie eine strengere Kontrolle des Internets und der Medien. „Chinas Wiedererwachen muss vom Reichtum der chinesischen Kultur begleitet werden“, forderte das Zentralkomitee mit blumigen Worten. Aber auch chinesische Produktionen sind von der neuen Linie betroffen.

Das Regime will eine Reihe von Filminhalten künftig verbieten. Auf seiner Website veröffentlichte der Staatsrat der Volksrepublik einen entsprechenden Gesetzesentwurf, der insgesamt 13 Arten von Inhalten auf den Index stellen soll. Darunter fielen etwa Filme, die religiösen Fanatismus schürten oder die soziale Stabilität gefährdeten, hieß es. Einzelheiten wurden nicht genannt.

Die staatliche Kontrollbehörde will auch von den Fernsehbildschirmen „ausschweifende Unterhaltung“ verbannen. Die Behörde für Radio, Film und Fernsehen (SARFT) wies die 34 Satellitenstationen des Landes an, ab 2012 die Unterhaltungssendungen zu verknappen und mindestens zwei Stunden Nachrichten pro Abend auszustrahlen. Die Sender sollen sich demnach auf „Harmonie, Gesundheit und Mainstreamkultur“ konzentrieren.

Aus für westlich orientierte Shows

Zuvor hatte ein ranghoher Vertreter der KP gesagt, kulturelle Reformen seien notwendig, um Chinas raschen Übergang zur Marktwirtschaft zu begleiten. Bereits im September wurde die populäre Talentshow „Super Girl“ nach sechs Jahren aus dem Programm genommen. Chinesische Regionalsender nahmen in den vergangenen Jahren zusehends beliebte Shows ins Programm, um ihre Werbeeinnahmen zu erhöhen. Die Regionalsender erreichen nach offiziellen Angaben rund 95 Prozent der geschätzten 1,3 Milliarden Chinesen.

Der jüngste Vorstoß der chinesischen Führung wird begleitet von neuen Bemühungen um eine großangelegte Kontrolle von Kulturbereichen, die vor allem über Soziale Netzwerke und Mikroblogs unabhängige Sichtweisen fördern wollen. Es geht also um beides: Zensur und Propaganda auf der einen, wirtschaftliche Interessen auf der anderen Seite.

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