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Von den 20ern bis Wong Kar-Wai

Trotz Zensur und Propaganda hat sich China nicht zuletzt durch sein Filmschaffen den Ruf eines der künstlerisch und kreativ spannendsten Länder erworben.

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Zhang Yimou etwa ist Teil der sogenannten Fünften Generation der chinesischen Filmemacher, die 1978 ihr Studium am Filminstitut begonnen und 1982 abgeschlossen haben. Gemeinsam mit Chen Kaige („Gelbe Erde“, „Die große Parade“) und Tian Zhuangzhuang („Der Pferdedieb“) begründete Zhang die chinesische Nouvelle Vague, die ab Mitte der 80er Jahre für den weltweiten Durchbruch des fernöstlichen Filmschaffens sorgte. Mit Filmen wie „Rotes Kornfeld“ und „Rote Laterne“ wurde Zhang zum Geheimtipp für Cineasten, 1999 erhielt er in Venedig den Goldenen Löwen für „Keiner weniger“.

Neue Welle mit Zhang, Chen und Tian

Die Generation um Zhang, Chen und Tian war die erste neue Welle an Filmschaffenden nach der mehr als zehnjährigen Schließung des Filminstituts aufgrund der Großen Kulturrevolution von Mao Zedong Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre.

Maos Frau, Jiang Qing, die einst im vorrevolutionären Schanghai unter dem Künstlernamen Blauer Apfel ein bedeutungsloses Filmsternchen gewesen war, hatte dabei ihre Ressentiments an den Kulturschaffenden ausgelassen. Regisseure und Schauspieler waren - wie so viele andere reale und vermeintliche Gegner der kommunistischen Partei - zum Stalldienst aufs Land verbannt worden. Jegliches Filmschaffen hatte der chinesischen Propaganda zu dienen.

„Politisch korrekte Linie“

Dieser Meinung hing schon in den späten 20er Jahren die chinesische Nationalpartei Kuomintang an, als sie die blühende Szene in Schanghai mit ersten Zensurmaßnahmen einschränkte. Und diese Ansicht vertritt auch heute noch die kommunistische Staatsführung, wie Staats- und Parteichef Hu Jintao noch vor gar nicht allzu langer Zeit bestätigte.

Als er 2005 aus Anlass des Hundertjahrjubiläums des chinesischen Filmschaffens die Filmemacher lobte und als wichtigen Teil von Chinas Modernisierung pries, mahnte er sie auch gleichzeitig, „die politisch korrekte Linie zu befolgen und ihre soziale Verantwortung wahrzunehmen“. Die Zensur lebt trotz der Öffnung des Landes weiter - auch wenn die Entscheidungen eigentlich nur mehr selten etwas mit Ideologie zu tun haben. Bekanntestes Zensurbeispiel ist der Berlinale-Film „Lost in Beijing“, der im Pekinger Rotlichtmilieu angesiedelt ist und erst nach einigen Änderungen am Berliner Filmfestival gezeigt werden durfte. Einen Monat nach der Kinopremiere in China wurde dort allerdings auch die zensierte Version wieder verboten.

Weil herausgeschnittene „pornografische Szenen“ angeblich für die Werbung benutzt worden seien, wurde der Produktionsfirma außerdem für zwei Jahre untersagt, neue Filme zu drehen. Für die Filmkritikerin Dai Jinhua war diese Entscheidung wie so viele andere unverständlich: „Es fehlt einfach jeglicher Maßstab“, stellte sie weder eine Lockerung noch eine Straffung der Regeln fest. „Die Situation ist schlichtweg absurder als je zuvor.“

Chinesische Kassenschlager

Auch der heute wohl bekannteste festlandchinesische Regisseur Zhang Yimou hatte immer wieder mit der Zensur zu kämpfen. Sein Venedig-Erfolg „Keiner weniger“ wurde in China mit der Begründung abgelehnt, er zeige ein entwürdigendes Bild des Landes. Erst drei Jahre später, im Jahr 2002, begann die Regierung gegenüber der Außenwelt nachdrücklich, eine Öffnung der Filmindustrie zu unterstützen.

Im gleichen Jahr schuf Zhang mit „Hero“ einen der größten Kassenschlager des jüngeren chinesischen Kinos. Auch sein Nachfolgeprojekt „House of Flying Daggers“ wurde zwei Jahre später ein kommerzieller Erfolg. Rapide verändert hatte sich die Filmlandschaft aber bereits seit Anfang der 90er Jahre. Nach den Studentenunruhen 1989 wählten viele junge Filmemacher, die sogenannte Sechste Generation, (nicht immer freiwillig) den Weg in die Unabhängigkeit.

Die Studios mussten ihre Filme zunehmend selbst finanzieren, die Marktöffnung machte China auch für Hollywood wieder attraktiver. Und nach einem Boom chinesischer Kampfkunstfilme wie „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ von Ang Lee und „Hero“ von Zhang Anfang des neuen Jahrtausends entdeckte die US-Industrie zunehmend ihre Lust auf Fernost. Bestes Beispiel für die Annäherung: der Rekord an den chinesischen Kinokassen für die Animationsfilmreihe „Kung Fu Panda“.

Jackie Chan und Lucy Liu

Einst war Schanghai in den 1920er und 30er Jahren eine beliebte Kulisse für amerikanische Filme, doch das hatte sich nach Maos Machtübernahme schnell verändert. Schanghai verlor seine internationale Ausstrahlungskraft. Und noch heute gilt die einst für ihre mysteriösen und anrüchigen Filmbegegnungen zwischen West und Ost bekannte Metropole nach der Zwangseinteilung zur stalinistischen Filmpropaganda nur noch als Schatten ihrer selbst.

Im Zentrum der chinesischen Filmindustrie stehen heute Peking und Xi’an sowie Hongkong, das sich mit seinem typischen B-Movie-Actionkino einen Namen gemacht hat. Aus Hongkong stammt etwa Jackie Chan, der lange als legitimer Nachfolger des Actionstars Bruce Lee gehandelt wurde, sich aber lieber auf komödiantische Weise mit seiner Kampfkunst und viel Slapstick durch weit über Actionpublikum anerkannte Streifen schlug - und damit bald auch in Hollywood zu einem Star wurde.

In „Kung Fu Panda“ aus dem Hause Dreamworks hat er eine Stimme übernommen - ebenso wie Lucy Liu, Tochter chinesischer Immigranten aus New York und bekannt aus Filmen wie „Charlie’s Angels“ und „Kill Bill“. Starregisseur Quentin Tarantino hat in Letzterem vor einigen Jahren bereits seine Liebe zum chinesischen Kampfsportkino gezeigt und offenbar einen Nerv der Zeit getroffen.

Gesellschaftskritische Digitalporträts

Aber nicht nur mit Actionkino ist der chinesische Film populär geworden, auch Cineasten bejubeln seit vielen Jahren die Werke aus der großen Talentschmiede. Chen und Zhang Yimou - als Aushängeschilder der Fünften Generation - beeindruckten stets mit ausdrucksstarken Bildern und einem kritischen Blick auf die chinesische Kultur und Geschichte.

Internationale Anerkennung fanden auch die unabhängigen und individuell orientierten Regisseure der Sechsten Generation wie Zhang Yuan und Wang Quan’an sowie jene der Siebenten und Achten Generation, die zumeist mit wenigen, oft dokumentarischen Mitteln und mit Hilfe der neuen digitalen Technik gesellschaftskritische Porträts erstellen.

„Chinesischer Schwarzenegger“ gesucht

Gemeinsam ist den Regisseuren, dass sie immer wieder in Schwierigkeiten mit den Behörden geraten und mit Berufsverboten belegt werden. Von den mehr als 300 Filmen, die jährlich in China entstehen, sind viele nie in der Heimat, sondern oft nur auf ausländischen Festivals zu sehen.

Zu großen Festivallieblingen entwickelten sich in den vergangenen Jahren die Meisterregisseure Wong Kar-Wai und Ang Lee, die immer wieder mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft werden. Beide pflegen auch starke Beziehungen zu den USA, wo Ang Lee 2004 für den Western „Brokeback Mountain“ mit vier Oscars geehrt wurde.

Ähnliches gilt für die oberste Schauspielerriege. „Es wird sicher bald einen chinesischen Arnold Schwarzenegger geben“, sagte kürzlich ein amerikanischer Produzent. Und einige Stars aus China wie Tony Leung, Gong Li, Jiang Wen, Maggie Cheung und Zhang Ziyi haben sich im Westen ohnehin schon lange einen Namen gemacht.

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