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Diebstahl, Verlust und Missgeschicke

Der Klang einer Stradivari gilt in der Fachwelt als das Ideal des Violinenklangs. Viele Geiger träumen davon, einmal im Leben auf einem Instrument des italienischen Geigenbaumeisters Antonio Stradivari spielen zu dürfen. Doch so wertvolle Instrumente - selbst lädierte Exemplare aus der Hand des Meisters sind heute rund eine Mio. Euro wert - sind oft auch eine große Bürde für ihre Spieler.

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„Die meisten Menschen können es kaum glauben, dass man so etwas Wertvolles einfach mit sich herumträgt“, erklärte der Violinist und Leiter des BBC Symphony Orchestras, Stephen Bryant, gegenüber der BBC. Er selbst, wie auch viele seiner Kollegen, würde die Geigen keine Sekunde aus den Augen verlieren. Manche der großen Violinisten beschäftigen extra Personal zur Überwachung des Instruments.

Star-Geiger David Garrett

AP/Eckehard Schulz

Der 30-jährige David Garrett, der mit seiner Crossover-Musik zwischen Klassik und Rock berühmt wurde, spielt unter anderem auf einer geliehenen Stradivari.

Die große Verantwortung kommt auch daher, dass viele der Stradivaris nicht im Besitz der Musiker sind, sondern Leihgaben von Mäzenen oder Unternehmen sind. So sind immerhin acht der weltweit rund 600 erhaltenen Stradivari-Violinen im Besitz der Österreichischen Nationalbank (OeNB), die es als Teil der Kulturförderung sieht, die Instrumente an ausgewählte junge Talente zu verleihen.

Strenge Versicherungsauflagen

Mit der Geige trägt ein Musiker quasi permanent ein unersetzbares Kunstwerk herum. „Tragen Sie ihr Instrument die ganze Zeit direkt bei sich. Versichern sie sich, dass es sich immer in ihrem direkten Blickfeld befindet“, heißt es in den Auflagen der Lark Group, eines britischen Versicherungsunternehmens, das auf Musikinstrumente spezialisiert ist.

Wie wichtig diese Lektion ist, mussten schon einige Musiker am eigenen Leib erfahren. So verbrachte der chinesisch-amerikanische Cellist Yo-Yo Ma 1999 einen ganzen Tag lang in banger Angst um sein Stradivari-Cello, das er dank der Ehrlichkeit eines Taxifahrers unbeschädigt zurückerhielt. Genau das Gleiche passierte - ebenfalls in New York - 2001 dem amerikanischen Cellisten Lynn Harrel und 2008 dem Violinisten Philippe Quint.

Geigendiebstahl beim Schnellimbiss

Doch nicht alle Fälle von kurzer Unachtsamkeit endeten so glimpflich: Ende 2010 ließ die koreanische Stargeigerin Min Jin Kym ihre Stradivari kurz aus den Augen, um sich ein Sandwich zu kaufen, und schon war die teure Geige verschwunden. Mit ihr gleich zwei teure Bögen, zusammen noch einmal rund 80.000 Euro wert. Obwohl Ende März drei Verdächtige verhaftet wurden, sind Geige und Bögen nach wie vor unauffindbar, wie die „Daily Mail“ berichtete.

Auch wenn der Auktionswert einer legal verkauften Stradivari noch so hoch sei, sei es schwer, einen Käufer zu finden, wie die britische Polizei die Diebe von Min Jin Kyms Geige warnte: „Obwohl diese Gegenstände extrem wertvoll sind, wird es sehr schwer, sie zu verkaufen. Sie sind so selten und tragen so spezielle Merkmale, dass sie sehr einfach als gestohlen erkannt werden.“

Einige Geigen bis heute verschwunden

Dennoch gab es einige Instrumente, die gestohlen wurden und für immer verschwanden - insgesamt neun Stradivaris sind in der Datenbank der Website Cozio.com, einem Portal für Streichinstrumente, gelistet. Die Geige von Efrem Zimbalist, einem der berühmtesten Konzertviolinisten der Welt, verschwand 1960. Er erkannte die „Lamoreux“ genannte Violine zwar Jahre später auf einem Foto in Japan, trotzdem wurde sie nie wieder gefunden.

Die „Davidoff Morini“ wurde 1995 aus dem Appartement der todkranken 91-jährigen Geigerin Erica Morini gestohlen. Ebenfalls aus einer Privatwohnung soll die „Colossus“ 1998 entwendet worden sein, in diesem Fall kursiert jedoch das Gerücht, der Besitzer Luigi Alberto Bianchi habe sie verschwinden lassen, weil er im Rosenkrieg mit seiner Ex-Frau lag.

Überraschendes Happy End für Besitzer

Andere Instrumente tauchten Jahre nach dem Diebstahl oder Verlust völlig überraschend an einem komplett anderen Punkt der Erde wieder auf: Rund 17 Jahre war etwa die „Herkules“ verschwunden, nachdem sie 1908 aus einer Künstlergarderobe in St. Petersburg entführt worden war. Die unter nicht näher geklärten Umständen verschwundene „Duke of Alcantra“ wurde 1967 von einer Lehrerin am Straßenrand gefunden, die sie behielt und bis zu ihrem Tod 1978 niemandem davon erzählte.

Der damalige Innenminister Günther Platter übergibt dem Solisten Christian Altenburger die gestohlene Stradivari-Geige am 6. Juni 2007.

APA/Robert Jäger

2007 wurde bei der Festnahme einer Einbrecherbande in Österreich eine Stradivari sichergestellt, die wenige Wochen zuvor aus der Wohnung des Stargeigers Christian Altenburger gestohlen worden war.

Missgeschicke mit den teuren Instrumenten

Der junge Stargeiger David Garrett, von den Medien oft als „schönster Geiger der Welt“ betitelt, soll 2008 nach einem Auftritt gestolpert und auf seine geliehene Stradivari „San Lorenzo“ gefallen sein, die dabei massiven Schaden genommen habe, wie mehrere Medien berichteten. Garrett dementierte das allerdings wenig später, es habe sich um sein zweites Instrument, eine Guadagnini aus dem Jahr 1772 gehandelt.

Aber auch eines der wenigen erhaltenen Stradivari-Celli hat ein besonders aufregendes Schicksal hinter sich: 1963 stürzte die „Mara“ bei einem Schiffsunglück auf dem Rio de la Plata ins Wasser und zerbrach dabei. Trotzdem konnte es rekonstruiert werden - heute wird es von dem österreichischen Musiker und Dirigenten Heinrich Schiff gespielt.

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