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„Angepasst kann man nicht schreiben“

Die Schriftstellerin Christa Wolf ist tot. Sie starb am Donnerstag im Alter von 82 Jahren in Berlin. Das teilte der Suhrkamp Verlag mit. Die DDR-Schriftstellerin galt als eine der wichtigsten deutschen Autorinnen der Nachkriegszeit.

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Zu ihren bedeutendsten Werken gehören die Romane und Erzählungen „Nachdenken über Christa T.“, „Kindheitsmuster“, „Kein Ort. Nirgends“, „Kassandra“, „Medea. Stimmen“ und „Der geteilte Himmel“. Ihr letzter Roman „Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud“ erschien im Sommer 2010.

1993 war bekanntgeworden, dass Wolf von 1959 bis 1962 von der Stasi zunächst als „Gesellschaftliche Mitarbeiterin“ und dann als IM „Margarethe“ geführt worden war, was die Autorin nach eigenem Bekenntnis verdrängt hatte. Dagegen steht, dass sie und ihre Familie seit Ende der 60er Jahre systematisch von der Stasi ausspioniert wurden.

„War keine Staatsschriftstellerin“

„Ich verlasse mich darauf, dass die Leser in meine Bücher schauen und sehen, dass ich keine Staatsschriftstellerin war“, sagte die Georg-Büchner-Preisträgerin dazu einmal. Wolf empfand es in den letzten Jahren der DDR zunehmend als Belastung, dass die Menschen in Ostdeutschland sie immer mehr als Galionsfigur für Zivilcourage und Widerstand in Anspruch nahmen und weniger als Literatin. Sogar als Staatspräsidentin einer „neuen DDR“ war Wolf im Gespräch.

Sie sah sich wie ihre Kollegen Stefan Heym, Volker Braun, Heiner Müller und Christoph Hein, die ebenfalls bei der ersten freien Massendemonstration in Ostberlin am 4. November 1989 sprachen, einem gesellschaftlichen „Erlösungs-Erwartungsdruck“ ausgesetzt, den sie weder erfüllen konnte noch wollte. „Was wollt ihr denn alle von mir? Soll ich ein Held sein, bloß weil ich Geschichten schreibe?“, zitierte sie dazu Maxim Gorkis „Sommergäste“.

Sprachrohr „deutscher Zerrissenheit“

Die „deutsche Zerrissenheit“ fand in Wolf, die am 18. März 1929 im heute polnischen Landsberg/Warthe geboren worden war, ein literarisches Sprachrohr, nicht zuletzt in ihrer berühmten, von Konrad Wolf 1963/64 auch verfilmten Erzählung „Der geteilte Himmel“. Noch in den letzten Tagen der zusammenbrechenden DDR hatte sie zusammen mit anderen Künstlern den Aufruf „Für unser Land“ unterschrieben, ein verzweifelter Versuch, den eigenständigen Weg eines anderen Deutschland weitergehen zu können.

„Ich habe dieses Land geliebt“, schrieb Wolf einmal an ihren Kollegen Günter Grass. Sie meinte natürlich die Menschen und nicht den Machtapparat, der ihr vorschreiben wollte, was „positiv“ und was „Glück“ sei - für einen Schriftsteller per se eine völlig unkünstlerische Vorgabe, denn „angepasst kann man nicht schreiben, da fällt einem ja nichts ein“, wie sie später sagte.

Versteckte Anspielungen gegen die Zensur

Wolf gehörte mit ihrem Mann zu den Unterzeichnern der Protestresolution gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann 1976 aus der DDR. Danach hielt sie ihr Land nicht mehr für reformierbar, um dann mit Michail Gorbatschow doch wieder neue Hoffnung zu schöpfen.

Dabei hatte sie schon 1968 nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die damalige CSSR in ihrem Tagebuch notiert: „Es rast auf ein ungutes Ende zu ... Wenn man erst einmal mit solcher Wucht aus den Schienen gesprungen ist, kommt man nicht mehr rein.“ Und 1983 hatte sie in ihrer berühmt gewordenen Erzählung „Kassandra“ eine „Botschaft“ versteckt, die die SED-Zensur nicht verstanden habe, wie Wolf später meinte, nämlich „dass Troja untergehen muss“.

Wolf-Formel: „Frauen und Frieden“

„Kassandra“ ist ein Beispiel für die verknappte Formel „Frauen und Frieden“, auf die man Wolfs literarisches Werk und gesellschaftliches Engagement bringen könnte. Die „weltgeschichtliche Niederlage der Frau“ blieb ihr als Thema immer im Blick. Nach acht Lebensjahrzehnten sprach Wolf von „diesem 21. Jahrhundert, in das ich wider Erwarten noch hineingeraten bin, ohne recht heimisch in ihm zu werden“.

Manchmal überkomme sie auch das Gefühl, sagte sie bei einer Suhrkamp-Veranstaltung in Berlin, „einer überholten, aussterbenden Art anzugehören, deren Erfahrungen nicht mehr gebraucht werden“. Dabei könne sie aus drei Gesellschaftsordnungen Erinnerungen beisteuern, an „normales“ Leben ebenso wie an Irrtümer, Konflikte, Zusammenbrüche, Verzweiflungen und Glücksmomente und „beharrliche Hoffnungen“. Vor allem aber: „So wie es war, so soll es auch gewesen sein - wie sonst?“

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