Heftige Auseinandersetzungen mit Polizei
Mit Gleisblockaden und Protesten wollen deutsche Atomkraftgegner den Castor-Zug ins deutsche Gorleben so lange wie möglich ausbremsen. Doch die Proteste fordern bereits Dutzende Verletzte. Mehr als 100 Demonstranten und rund 35 Polizisten sollen bislang während der Proteste gegen den Castor-Transport ins niedersächsische Wendland verletzt worden sein.
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Sanitäter hätten seit Beginn der Anti-Castor-Proteste am Donnerstag rund 110 Atomkraftgegner behandelt, sagte die Leiterin der Sanitätszentrale am Samstag in Dannenberg. Viele Demonstranten erlitten Augenverletzungen durch Pfefferspray, andere Prellungen durch Schlagstöcke. Ein Sprecher der Polizei sprach von etwa 35 verletzten Beamten - die meisten durch Steine oder Tränengas der Atomkraftgegner. Atomkraftgegner kritisierten die Einsatzstrategie der Polizei als zu hart.
Die Sicherheitskräfte dagegen berichteten immer wieder von aggressiven Attacken gegen Beamte. Laut Polizei wurden bislang insgesamt 16 Polizeiautos beschädigt, unter anderem sieben durch Steinwürfe und zwei durch Brandsätze wie Molotowcocktails. Die Zahl der Festnahmen liege im unteren zweistelligen Bereich. Einige Verfahren seien eingeleitet worden, hauptsächlich wegen schweren Landfriedensbruchs.
Starker Wind könnte Umladen verzögern
Wann der Castor sein Ziel im Zwischenlager erreicht, war noch unklar. Am Abend hatte der Zug mit den elf Atommüllcontainern über eine nördliche Route den Güterbahnhof Maschen bei Hamburg angesteuert und war damit noch rund 100 Kilometer von seinem Ziel entfernt. Von dort führt die Strecke über Lüneburg nach Dannenberg.
Ob der letzte Transport mit hoch radioaktivem Abfall aus Frankreich nach Gorleben bereits am Sonntag oder erst am Montag das Zwischenlager erreichen wird, war weiterhin ungewiss. Starker Wind könnte erstmals das Umladen der Castor-Behälter von der Schiene auf Lastwagen in Dannenberg verzögern. Meteorologen sagten für das Wochenende heftige Windböen voraus.
Greenpeace-Mitglieder ketteten sich fest
Viele Protestierer wollten auch die Nacht über ausharren. In einem Waldstück bei Hitzacker besetzten am Samstagabend mindestens 1.200 Atomkraftgegner eine Schienenstrecke in Wendland. Den Streckenabschnitt muss der Transport mit hoch radioaktivem Müll auf seinem Weg zum Verladebahnhof nach Dannenberg passieren. Die Station, an der die elf Behälter für die Weiterfahrt auf Spezialfahrzeugen umgeladen werden, war am Abend bereits von der Polizei weiträumig abgesperrt worden.
An den Gleisen auf der Castor-Strecke bei Lüneburg ketteten sich am Samstagabend acht Greenpeace-Mitglieder fest. Dies teilte die Umweltschutzorganisation am Abend mit. Die Atomkraftgegner protestieren damit nach eigenen Angaben gegen die „verlogene Atommüllpolitik der Regierung“. Die Regierung wolle „Gorleben als Atomklo der Nation durchzusetzen“, erklärte der Greenpeace-Atomexperte Tobias Riedl. Auf einem Banner fordern die Aktivisten „Ausstieg aus Gorleben - Stopp Castor“.
Mit Steinen und Böllern
Im Laufe des Samstags stürmten Castorgegner an mehreren Orten die Schienen und entfernten Steine aus dem Gleisbett. Die Einsatzkräfte gingen in den unübersichtlichen Waldgebieten massiv gegen die „Störer“, wie sie von der Polizei bezeichnet werden, vor. Es kam zu zahlreichen Festnahmen. Die Beamten wurden laut Polizei zudem mit Steinen und Böllern angegriffen. An einer anderen Stelle hatten Atom-Gegner die Schienen verbogen. Atomgegner kritisierten die Strategie der Polizei: „Das ist ein übertriebenes Machtspiel der Polizei“, sagte Hans-Werner Zachow von der Bäuerlichen Notgemeinschaft. Die Polizei verteidigte ihr Vorgehen als angemessen.
Tausende friedlich bei Großdemo
In Dannenberg protestierten am Nachmittag mehrere tausend Kernkraftgegner aus ganz Deutschland friedlich und farbenfroh gegen die Atompolitik der deutschen Regierung. Zu der zentralen Kundgebung in der Nähe des Verladebahnhofes kamen nach Polizeiangaben rund 8.000 Menschen. Die Bürgerinitiativen sprachen dagegen von mehr als 23.000 Teilnehmern. „Wir geben nicht auf, bis Gorleben gestoppt ist“, erklärte die Anti-Atom-Organisation ausgestrahlt.
Die Atomgegner fordern die deutsche Regierung auf, den Salzstock in Gorleben als mögliches Endlager aufzugeben. Der deutsche Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte mit den Ländern die bundesweite Suche nach einem Endlagerstandort vereinbart. Dabei wird auch Gorleben weiter auf seine Eignung erkundet.
Der Zug mit Atommüll war am Mittwoch im französischen La Hague gestartet. Auf seiner Fahrt hat der Transport bereits mehrere Zwischenstopps eingelegt - Atomkraftgegner hielten den Konvoi zudem mehrfach bei seiner Fahrt gen Norden auf. Im Wendland war es seit Donnerstag wiederholt zu teils gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und Polizei gekommen.
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