„Teil einer finanziellen Attacke“
Die ungarische Regierung hat die Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes als unbegründet und als „spekulativen Angriff“ bezeichnet. „Da die Bewertung durch Moody’s keine reale Grundlage hat, kann die ungarische Regierung sie nur als Teil eines finanziellen Angriffs interpretieren“, hieß es am Freitag in einer Mitteilung des Wirtschaftsministeriums in Budapest.
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Die US-Ratingagentur Moody’s hatte Ungarns Kreditwürdigkeit am Donnerstagabend von „Baa3“ auf „Ba1“ und somit auf Ramsch-Niveau herabgestuft. Ungarn ist in der EU, aber nicht in der Euro-Zone. Die Herabstufung der ungarischen Staatsanleihen war von den Ratingagenturen bereits angedroht worden, nachdem die Staatsverschuldung vom zweiten auf das dritte Quartal dieses Jahres von 75 auf 82 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen war.
Staatsanleihen auf Rekordhoch
Die Herabstufung der Bonität Ungarns löste am Freitag heftige Reaktionen auf den Finanzmärkten aus. Ungarische Staatsanleihen gerieten stark unter Druck, während Kreditausfallversicherungen (CDS) sprunghaft zulegten. Die Rendite für richtungsweisende zehnjährige Staatstitel stieg bis Mittag um fast einen ganzen Prozentpunkt auf 9,9 Prozent. Das ist der höchste Wert seit Anfang 2009. Zu Wochenanfang war die Rendite noch bei 8,4 Prozent gelegen.
Ebenfalls kräftig stieg die Prämie, die Anleger für eine Ausfallversicherung auf ungarische Staatsanleihen zahlen müssen. Für fünfjährige Titel stieg sie von 603 Basispunkten am Vortag auf 629 Basispunkte. Das bedeutet, dass Investoren für eine Anleihe im Wert von einer Million Forint eine Summe von 62.900 Forint zahlen müssen. Das ist die höchste Summe seit März 2009.
Ungarn spielt IWF-Hilfe herunter
Der Forint stand am Freitag ebenfalls unter Druck. Bereits zuvor hatte sich der Forint im Devisenwechselkurs rasant entwertet. Erst vergangene Woche hatte Ungarn den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die EU angesichts drohender Herabstufung durch die Ratingagenturen um Hilfe gebeten. Die ungarische Regierung betonte dabei, dass das Ersuchen um Hilfe „vorbeugend “ sei. Der Fraktionschef der regierenden FIDESZ-Partei, Janos Lazar, sagte aber, das Land wolle sich weiter selbst Geld auf dem Markt beschaffen. Die Hilfen von IWF und EU dienten als Sicherheitsnetz, um ein Wirtschaftswachstum von einem Prozent im Jahr zu erreichen.
Zur Schwäche des Forint erklärte das Ministerium, hinter der aktuell laufenden Abwertung der Landeswährung „kann nur ein spekulativer Angriff gegen Ungarn stecken“. Die Regierung vermutet, dass in jüngster Zeit gegen die nationale Währung Forint spekuliert wurde. Die Ermittlungsbehörden seien deshalb angewiesen worden, Nachforschungen anzustellen, sagte ein Regierungssprecher am Donnerstag. „Die makroökonomischen Daten geben keinerlei Anlass, gegen den Forint zu wetten“, sagte er bei einer Pressekonferenz.
Moody’s: Konsolidierung unsicher
Moody’s begründete die Herabstufung der Bonität unter anderem mit der zunehmenden Unsicherheit, ob Ungarn angesichts eingeschränkter Wachstumsaussichten mittelfristig seinen Staatshaushalt konsolidieren und die öffentliche Verschuldung zurückführen kann.
Das Wirtschaftsministerium entgegnete, die Herabstufung durch die Ratingagentur sei grundlos, weil sich Ungarns Wirtschaft in den letzten anderthalb Jahren in den meisten Bereichen „trotz aller externen Schwierigkeiten“ in eine günstige Richtung entwickelt habe. Die Leistungsbilanz weise einen Überschuss auf. In diesem Jahr werde es Ungarn erstmals seit dem EU-Beitritt gelingen, das Haushaltsdefizit unter 3,0 Prozent des BIP zu senken.
Geldreserven sollen ausgebaut werden
Ungarns Wirtschaftswachstum habe im dritten Quartal das Wachstum in der EU und in der Euro-Zone überholt, so das Ministerium. In den Haushalt für 2012 baue Ungarn Geldreserven ein, die 1,0 Prozent des BIP entsprächen. Diese Rücklage solle angesichts der Schuldenkrise in der Euro-Zone dafür sorgen, dass Ungarn weiter die Maastricht-Kriterien erfülle, selbst wenn die Wirtschaft weniger wachse als erwartet, hieß es weiter. Ungarn habe in diesem Jahr die Staatsverschuldung um fast zehn Prozent gesenkt.
Um die wachsende Staatsverschuldung einzudämmen, hob Ungarn etwa die Mehrwertsteuer von 25 auf 27 Prozent und erhöhte zahlreiche weitere Abgaben. Das Steuerpaket, das diese Woche vom Parlament beschlossen wurde, tritt am 1. Jänner 2012 in Kraft. Die bei Zehntausenden Kleinunternehmern beliebte Vereinfachte Steuer (EVA) steigt von 30 auf 37 Prozent des Gewinns. Im Gegenzug steigt die Umsatzobergrenze der Firmen, die in diese Steuerkategorie fallen, von 25 Millionen auf 30 Millionen Forint (rund 100.000 Euro) im Jahr. Die EVA deckt pauschal die Körperschafts- und Einkommenssteuer ab.
Die 16-prozentige einheitliche Einkommenssteuer gilt im Falle der Arbeitnehmer nur noch für jene, die nicht mehr als das Bruttodurchschnittsgehalt von 202.000 Forint (rund 670 Euro) verdienen. Teurer wird in Ungarn auch das Autofahren: Haftpflichtversicherer müssen 30 Prozent der Summe, die die Versicherten als Beitrag einzahlen, an den Staat abführen - dadurch wird die Versicherung für die Kunden teurer. Erhöht wurden zudem die Kfz-Steuer und die Anmeldegebühr für Gebrauchtwagen.
Opposition rechnet mit Orban ab
Die ungarische Oppositionspartei MSZP forderte am Freitag den Rücktritt von Ministerpräsident Viktor Orban sowie die Bildung einer neuen Regierung. Als Grund gab die Partei die Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes an. Der MSZP-Vorsitzende Attila Mesterhazy forderte bei einer Pressekonferenz FIDESZ-Fraktionschef Lazar auf, die Abgeordnetengruppe solle mittels eines konstruktiven Vertrauensantrags für die Wahl eines neuen Ministerpräsidenten und einer neuen Regierung sorgen, berichtete die ungarische Nachrichtenagentur MTI.
Laut Mesterhazy hat Orban „seine Glaubwürdigkeit in der Welt völlig verloren“. Die „Überheblichkeit, Arroganz und kriegerische Politik“ von Orban hätten dazu geführt, dass Ungarn heute in einer schlechteren Lage sei als 2008/2009, so Mesterhazy. Um das Vertrauen der Ungarn zurückzugewinnen, müsse es zu einer schnellen Einigung mit dem IWF und der EU kommen.
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