Tiefer Riss durch Europa
Mit gemeinsamen Staatsanleihen aller Euro-Länder (Euro-Bonds) will die EU-Kommission gegen die Schuldenkrise ankämpfen. Gleich drei Modelle für die umstrittenen Anleihen wurden am Mittwoch präsentiert. Doch die Begeisterung war verhalten. Vor allem Deutschland lehnt die gemeinschaftlichen Schuldscheine ab. Der Zeitpunkt ist laut der deutschen Kanzlerin Angela Merkel „außerordentlich unpassend“.
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Um die Gegner der „Stabilitätsbonds“ auf ihre Seite zu ziehen, will die Kommission die Wirtschafts- und Haushaltsaufsicht in der EU verschärfen. Die Behörde legte dazu zwei Gesetzesentwürfe vor. Einerseits sollen Budgetentwürfe jedes Jahr zur selben Zeit vorgelegt werden, andererseits sollen Schuldenstaaten schärfer überwacht werden können. „All das würde öffentlich erfolgen, um volle Transparenz zu gewährleisten“, versicherte die EU-Kommission.
Drei Modelle
Außerdem werden in Brüssel drei Optionen zur Einführung von „Stabilitätsbonds“, so der offizielle Name, diskutiert: eine „große Lösung“, bei der nationale Anleihen komplett ersetzt werden und eine Variante, bei der ein Großteil nationaler Anleihen durch Euro-Bonds ersetzt werden. Beide Modelle würden allerdings Vertragsänderungen voraussetzen. Für die dritte Variante wäre das nicht nötig: Es gibt zwar ein gemeinschaftliches Wertpapier, doch die Euro-Länder müssten weiter anteilig haften.
Dadurch sollen Schuldenstaaten wie Griechenland, Italien und Spanien vor immer weiter steigenden Zinsen geschützt werden. Gleichzeitig würden aber „Vorzugsschüler“ wie Deutschland und Österreich künftig mehr für die Staatsfinanzierung zahlen. Außerdem müssten sie für Ausfälle haften. „Alle sollten offen an den Vorschlag herangehen und nicht ihren dogmatischen Überzeugungen anheimfallen“, sagte Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso, ohne namentlich auf Kritiker von Euro-Bonds einzugehen.
Fekter: Zinszahlungen steigen um ein Drittel
Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) bekräftigte ihre Ablehnung von Euro-Bonds: Sie wären in der jetzigen Konstruktion „für Österreich ein großer Nachteil“, sagte Fekter zu Beginn des Finanzausschusses in Wien. Österreich würde damit seine gute Bonität gefährden und höhere Zinsen zahlen müssen. Fekter ging von einem Drittel mehr Zinszahlungen aus.
Fekter zog vor Journalisten als Orientierungshilfe die Zinsen für Anleihen des Euro-Rettungsfonds EFSF heran, „die ja schon gestützt“ seien. Österreich drohten mit Euro-Bonds wohl Zinsen jenseits der fünf Prozent, so die Ministerin. Das wäre ein Drittel mehr als jetzt. Zahle Österreich jetzt neun Mrd. Euro, würden es dann zwölf Milliarden Euro sein, mit denen man dann die Kapitalmärkte füttere. Fekter: „Das würde das Budget heillos überfordern.“
„Solange wir auf Schuldensünder keinen Einfluss ausüben können, sind Euro-Bonds der falsche Weg“, sagte die Finanzministerin. Euro-Bonds setzten, so Fekter, Haushaltsdisziplin in allen Ländern, die Einhaltung der Maastricht-Kriterien und einen Sanktionsmechanismus voraus. Nur unter diesen Bedingungen könne sie dieses Instrument befürworten.
Merkel mauert gegen Euro-Bonds
Einer der vehementesten Gegner der Euro-Bonds ist Deutschland. Die Suche nach der einen allgemeingültigen Antwort auf die Schuldenkrise in Europa werde nicht erfolgreich sein, so die deutsche Kanzlerin. Anstatt Euro-Bonds einzuführen, müsse die Währungsunion mit neuen vertraglichen Regeln sicherstellen, dass die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts in den Euro-Ländern eingehalten werden. Doch dazu müssten die europäischen Verträge geändert werden.
EZB auf Einkaufstour
Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft weiter Staatsanleihen angeschlagener Euro-Länder, allein in der vergangenen Woche im Wert von 7,99 Mrd. Euro. Die gesamten Anleihekäufe summieren sich damit auf 194,5 Mrd. Euro.
Mit der harten Ablehnung gehen Berlin und Wien auf Konfrontation mit Frankreich, wo Präsident Nicolas Sarkozy zumindest mittelfristig über Euro-Bonds nachdenken will. Der Euro brauche einen noch höheren Schutzwall, sagte auch der französische Finanzminister Francois Baroin. Paris wolle aus dem Konflikt zwar keinen Kriegsgrund machen, aber die beste Lösung sei eine Banklizenz für den EFSF. Die Begeisterung für die Euro-Bonds dürfte nicht zuletzt an den stark gestiegenen Risikoaufschlägen für französische Papiere liegen.
Schuldenländer hoffen auf billigeres Geld
Unterstützung erhielt Sarkozy auch aus Italien. Der neue Regierungschef Mario Monti hofft, dass mit gemeinsamen Euro-Anleihen der Druck auf die italienischen Anleihen etwas nachlässt. Dass die Euro-Bonds gerade die Schuldenländer erneut zu einer etwas nachlässigeren Haushaltsdisziplin verleiten könnten, wies Monti zurück: „Sie würden helfen, die Märkte zu einer stabileren Kraft zu machen, indem sie die öffentlichen Budgets disziplinieren.“
Die EU ist um Glättung der Wogen bemüht. EU-Ratspräsident Herman van Rompuy rief dazu auf, zumindest die Möglichkeit zu überlegen. „Es ist kein kurzfristiges Mittel zur Lösung der Schuldenkrise, aber es kann mittelfristig ein Mittel unter anderen für mehr Haushaltsdisziplin im Euro-Raum sein.“ Gleichzeitig räumte Van Rompuy ein, dass Euro-Bonds umstritten sind: „Ich weiß, dass es eine heikle Frage in einigen Mitgliedsstaaten ist, aber in außergewöhnlichen Zeiten muss man sich auch weitreichende Optionen anschauen.“
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