Dringender Appell von Zapatero
Auch nach den Regierungswechseln in Griechenland und Italien scheint eine Entspannung in der Schuldenkrise in weiter Ferne. Am Donnerstag gerieten Frankreich und Spanien, die zweit- beziehungsweise viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone, in den Fokus der Finanzmärkte.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Beide Länder konnten nur zu deutlich höheren Zinssätzen neue Schulden aufnehmen. Besonders für Spanien verschärfte sich die Lage dramatisch. Spanien musste bei einer Auktion von Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren eine durchschnittliche Rendite von um die sieben Prozent akzeptieren. Die Investoren trotzen damit auch den Bemühungen der Europäischen Zentralbank (EZB), die Lage zu beruhigen, indem sie in den letzten Tagen offenbar in großem Ausmaß Anleihen der in der Schuldenkrise steckenden Euro-Länder - insbesondere Italien und Spanien - aufkaufte.
Die Turbulenzen auf dem Anleihemarkt finden wenige Tage vor der spanischen Parlamentswahl statt. Es wird erwartet, dass die oppositionellen Konservativen einen Erdrutschsieg erringen werden. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 21,5 Prozent, und das Wachstum stagnierte im dritten Quartal.
Kritische Siebenprozentmarke
Wie die staatliche Nachrichtenagentur EFE meldete, ist es der höchste Zinssatz seit 14 Jahren. Nach Einschätzung der deutschen HSH Nordbank handelt es sich um ein „dramatisches Ergebnis“. Bei einer vergleichbaren Versteigerung Ende Oktober war die Rendite bei nicht einmal 5,5 Prozent gelegen. Ein Niveau von mehr als sieben Prozent gilt als kritisch, da Portugal und Irland bei diesen Renditen Hilfen aus dem Rettungsschirm beantragten. Spanien nahm durch die Begebung der Papiere 3,56 Milliarden Euro ein.
Auch Frankreich betroffen
Auch Frankreich konnte sich am Donnerstag nur zu deutlich höheren Kosten frisches Geld besorgen - insgesamt knapp sieben Milliarden Euro. In einem ungünstigen Marktumfeld stiegen die Renditen bei vier Auktionen neuer Staatsanleihen. Die Nachfrage war überwiegend robust, ging aber bei einer fünfjährigen Anleihe, der größten Emission, spürbar zurück. Die Rendite für dieses Papier stieg von 2,3 Prozent bei einer vergleichbaren Finanzierung im Oktober auf nun 2,8 Prozent.
Die höheren Zinsen kamen nicht völlig überraschend, da sie mit deutlich höheren Risikoaufschlägen für bestehende Anleihen auf dem Sekundärmarkt einhergehen. Beim direkten Handel etwa mit spanischen Staatsanleihen erreichte die Rendite der zehnjährigen Papiere am Donnerstag einen Rekordwert seit der Euro-Einführung von 6,7 Prozent. Zum Vergleich: Die Rendite der zehnjährigen deutschen Staatsanleihe lag zuletzt bei knapp 1,8 Prozent.
Ausdruck des Misstrauens
Gerade die gestiegenen Renditen für Frankreich sind ein Anzeichen dafür, dass neben den Krisenländern wie Griechenland und Italien nun auch als solide geltende Euro-Staaten mit Topbonität bei den Anlegern nicht mehr hoch im Kurs stehen. Auch die Aufschläge auf österreichische Anleihen hatten zuletzt kräftig angezogen. Spanien war zuletzt etwas vom Radar der Märkte verschwunden, ist nun kurz vor der Parlamentswahl am Sonntag aber wieder im Visier der Anleger.
Zapatero: EZB soll eingreifen
Spaniens Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero hat angesichts der dramatischen Verschärfung der Schuldenkrise eine Intervention der Europäischen Union und der Europäischen Zentralbank (EZB) gefordert. Die EU müsse unverzüglich eine Antwort auf die internationale Krise geben, sagte Zapatero am Donnerstag in Soria (Nordspanien). „Jetzt bedarf es einer europäischen Zentralbank, die auch wirklich ihrem Namen gerecht wird und die gemeinsame Währung verteidigt.“
Spanien habe Kompetenzen an den EU-Ministerrat, an die EU-Kommission und die EZB abgegeben. Daher müssten diese Instanzen nun auch reagieren. „Europa muss eine Antwort auf die Krise geben und dafür sorgen, dass die Stabilität zurückkehrt“, betonte Zapatero.
Sorge vor Ausweitung
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) fürchten eine Ausweitung der Schulden- und Finanzkrise. Schäuble sprach in Berlin von ersten Anzeichen, dass die Krise auf die Realwirtschaft, also auf Händler und Güterproduzenten, übergreift. Im Vordergrund müsse stehen, die Ansteckung der Banken durch die Schuldenkrise im Euro-Raum einzudämmen.
Schäuble sieht die Gefahr, dass die Schuldenkrise in Europa die Wirtschaft in ihrer ganzen Breite erfassen könnte. „Wir müssen uns (...) darauf konzentrieren, die drohenden Ansteckungseffekte im Bankensektor abzuwehren - die sind wegen des hohen Gewichts der Euro-Staatsanleihen bei den europäischen Banken gegeben“, warnte er in Berlin. Und dann müsse ein Überspringen der Krise auf die Realwirtschaft verhindert werden. „Die Anzeichen dafür sind leider gegeben“, mahnte er.
Merkel gegen überstürzte Aktionen
Merkel nutzte eine Führungskräftekonferenz der „Süddeutschen Zeitung“ für eine eindringliche Warnung, die Krisenprobleme mit falschen Lösungen, wie etwa Gelddrucken durch die EZB oder der Einführung von Euro-Bonds, lösen zu wollen. „Wir können eine überstürzte Vergemeinschaftung von allem und jedem in Europa machen. Das wird dazu führen, dass die Märkte kurz beruhigt sind und dass die Wettbewerbsfähigkeit Europas massiv abnimmt und wir uns irgendwo irgendwann wiederfinden, aber nicht mehr im führenden Bereich der Welt“, sagte sie.
Wer glaube, die EZB könne die Probleme der Euro-Zone lösen, rede sich etwas ein, sagte sie angesichts entsprechender Forderungen etwa Frankreichs. Marktunsicherheiten könnten nur durch „feste politische Lösungen“ überwunden werden. Die eigentliche Herausforderung der EU werde sein, die aufgehäuften Schulden zurückzuzahlen. Merkel betonte zugleich, eine größere haushaltspolitische Integration in der Euro-Zone sei unabdingbar. Die Euro-Mitgliedsstaaten müssten bereit sein, Eingriffe in ihre Haushaltspolitik zuzulassen. Dafür sei eine EU-Vertragsänderung nötig.
Links: