Profil durch Kampf gegen Korruption
In Pakistan drängt ein neuer Volksheld auf die Politbühne: Imran Khan, der in den 80er und 90er Jahren als Kapitän des Kricket-Nationalteams gefeiert wurde. Seine anschließende Karriere in der Politik verlief zunächst im Sand. Doch angesichts der Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem korrupten politischen System wird er jetzt als möglicher Erneuerer gefeiert.
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100.000 Menschen - vor allem urbane, junge Menschen der Mittelschicht - hatten sich Anfang November zu der Veranstaltung in Lahore eingefunden. Sie teilen Khans Wut über die Korruption in der Politik. Die Größe der Versammlung in der Heimatstadt des 58-Jährigen galt als Riesenüberraschung. Seine 1996 gegründete Partei Tehreek-e Insaf (Gerechtigkeitsbewegung) hatte zuvor kaum Erfolge zu verzeichnen. Er galt als Promi, der nach seiner Karriere ein bisschen Politiker spielt.
„Nichts kann uns stoppen“
Die Wahl 2008 hatte er aus Protest boykottiert. Doch für die nächste, die spätestens 2013 stattfinden wird, hat er ambitionierte Pläne. „Jetzt kann uns nichts mehr stoppen. Das ist eine Revolution, ein Tsunami. Wir werden die nächste Wahl nicht nur gewinnen, wir werden darüber hinwegfegen.“

Reuters/Stringer Pakistan
Khan wird von seinen Anhängern gefeiert
Es entstehe eine neue Kraft, muss auch Ayaz Amir zugeben, der zur Oppositionspartei von Nawaz Sharif gehört. Eine solche Mischung an Menschen habe er noch nie gesehen. Und seine eigene Partei lehre dieser Aufmarsch das Fürchten. Andere sind skeptischer: „Wir haben eine solche Rhetorik schon öfter gehört“, sagte der Journalist Badar Alam. Das mache ihn vorsichtig - man wisse nicht, welches Programm Khan tatsächlich vertritt.
Präsident „ein Gauner“
Khan selbst geht mit der politische Klasse hart ins Gericht. Präsident Asif Ali Zardari sei „ein Gauner und nicht mehr. Unser Land hat alle Rekorde der Korruption gebrochen“, sagte er dem britischen „Guardian“. Tatsächlich hat kaum ein anderes Land der Welt seit Jahrzehnten eine derart korrupte Elite: Im Volk wird Zardari, Witwer der ermordeten Oppositionsführerin Benazir Bhutto, seit Mitte der 90er Jahre wegen seiner angeblichen Marge als Minister bei Staatsaufträgen „Mister zehn Prozent“ genannt. Als Minister in den Bhutto-Regierungen (1988 bis 1990 und 1993 bis 1996) soll er ein Millionenvermögen ins Ausland geschleust haben. Auch Bhuttos Weste war alles andere als weiß.
„Freund der USA, nicht deren Lakai“
Dem derzeitigen Oppositionsführer Nawaz Sharif, er war 1990 bis 1993 und 1997 bis 1999 Präsident, wurde Steuerhinterziehung in Höhe von 60 Mio. Dollar vorgeworfen. Für Jahre war er im saudi-arabischen Exil. Bisher sei es immer noch oberstes Ziel pakistanischer Politiker gewesen, Luxusimmobilien in London anzuhäufen, spotten Exilpakistaner über die politische Elite des Landes. Einzig General Pervez Musharraf sei davon auszunehmen - dessen Präsidentschaft zeigte aber wiederum schwer autoritäre Züge.
Die Wirtschaft des Landes will Khan mit Sparmaßnahmen und Steuern auf die Beine bringen. Bisher würden nur zwei Prozent der Einwohner Steuern zahlen. Dafür will er auf Hilfsgelder aus den USA verzichten: „Ich will ein Freund der USA sein und nicht ihr Lakai.“ Hilfsleistungen seien ein Fluch für arme Ländern, sie verhinderten nötige Reformen und brächten nur Geld für Gauner.
USA misstrauisch
In den USA wird die Politkarriere Khans durchaus misstrauisch beobachtet: Zuletzt startete er eine Kampagne gegen US-Drohnenangriffe, bei denen immer wieder Zivilisten ums Leben kommen. „Ich hasse nicht die Amerikaner, sondern ihre Politik“, sagte er in einem Interview mit dem britischen Magazin „New Statesman“.
Und er will mit den Taliban verhandeln, statt sie zu bekämpfen. Wer glaube, die Taliban könnten das Land übernehmen, sei ein Idiot, meint Khan. Seit 1.400 Jahren gebe es auf der ganzen Welt ein funktionierendes Konzept einer Theokratie. Seine Ankündigung ist vollmundig: „Wenn ich an der Macht bin, könnte ich den Konflikt in 90 Tagen beenden - garantiert.“
Auch die Wahl seiner Berater stößt vielen vor den Kopf. Shireen Mazari, die Khan in außenpolitischen Fragen konsultiert, gilt als Indien-Hasserin, als Journalistin bezeichnete sie britische und US-amerikanische Kollegen regelmäßig als CIA-Agenten.
Selbstbewusstes Pakistan
Khan versucht ein modernes und selbstbewusstes Pakistan zu vertreten und wendet sich dabei auch gegen eine „liberale, westliche Elite“. „Ich nenne sie Kokosnüsse: Außen braun und innen weiß, sehen sie Pakistan nur durch eine westliche Brille.“ Reich und englischsprechend würden sie vor der Realität im eigenen Land die Augen verschließen. Khan begibt sich dabei auf dünnes Eis: Mit einem Abschluss im britischen Oxford zählt er eigentlich zur selben Gruppe.
Khan will auch die Beibehaltung des umstrittenen Blasphemiegesetzes. Dieses sieht bei Beleidigung des Islams die Todesstrafe vor. Es sei nicht die richtige Zeit für eine Abschaffung, meint Khan: Es würde ein Blutbad geben, und zurzeit seien andere Themen wichtiger. Ein Freund Khans, der Gouverneur der Provinz Punjab, Salman Taseer, war nach seiner Kritik an dem Gesetz im Jänner einem Attentat zum Opfer gefallen.
Urbane Mittelschicht als Wähler
Auf zwei Stärken kann Khan setzen: Seine Popularität als Ex-Sportler wurde durch seine Heirat mit der britischen Milliardärstochter Jemima Goldsmith noch verstärkt. Diese wiederum sorgte nach der Scheidung mit einer Affäre mit Schauspieler Hugh Grant für Schlagzeilen. Und neben dem Glamour-Faktor ist er als Kämpfer gegen Korruption glaubwürdig. Und so gilt er als Protestkandidat gegen das verkommene politische System. „Er ist ein bisschen ein Idiot“, meint ein Architekt in Lahore. „Aber er ist besser als der Rest.“
Die große Frage ist aber, ob er seine Popularität auch in Mandate umwandeln kann. Anhänger hat er bisher in nur zwei von vier Provinzen. Und er spricht vor allem die urbane Mittelschicht an, ärmere Menschen bilden dagegen weiterhin die Basis der Konkurrenzparteien PPP von Zardari und PML(N) von Sharif.
Auf korrupte Mitläufer angewiesen?
Sein größtes Problem ist aber ein fehlender Parteiapparat - und damit auch Mitstreiter: Damit muss Khan eventuell Politiker an Bord holen, die keineswegs eine so weiße Weste haben wie er. Er muss sich zwischen Idealismus und Pragmatismus entscheiden, heißt es in einem Kommentar in „Pakistan Today“. Wenn er zu viele Wendehälse engagiert, könnte er sein Charisma ganz schnell verspielen.
Und noch ein Fragezeichen steht in Raum. Ex-Präsident Musharraf, zurzeit im Exil in London, hat angedeutet, im Frühjahr nach Pakistan zurückkehren zu wollen - obwohl erst vor wenigen Wochen ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden war. Khan gilt als großer Kritiker Musharrafs, 2007 war er wegen Aufrufs zum bewaffneten Aufstand und Volksverhetzung einige Tage in Haft. Kehrt Musharraf tatsächlich auf die politische Bühne zurück, wären die Karten völlig neu gemischt.
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