Gute Zahlen nur auf dem Papier?
Die britische Wirtschaft kann trotz eines starken Wachstums im dritten Quartal das Rezessionsgespenst nicht vertreiben. Das Bruttoinlandsprodukt stieg laut den Zahlen von Anfang November zwar um 0,5 Prozent, übertüncht Experten zufolge aber wegen statistischer Verzerrung den wahren Zustand der gebeutelten Wirtschaft.
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Die meisten Ökonomen sagen zum Jahresende erneut Stagnation voraus, manche befürchten sogar eine Rezession. „Die britische Wirtschaft hat natürlich noch einen schwierigen Weg vor sich“, räumte auch Finanzminister George Osborne ein. Daten aus der Industrie belegen die düsteren Aussichten: Der Sektor schrumpfte im Oktober so stark wie seit Juni 2009 nicht mehr, wie aus einer Markit/CIPS-Umfrage hervorgeht.
BIP-Werte laut Experten überzogen
Das Stimmungsbarometer für die Industrie sackte um 3,4 auf 47,4 Punkte ab und rutschte damit unter die Wachstumsschwelle von 50 Zählern. Das Neugeschäft der Industrie lief so schlecht wie zuletzt im März 2009, als Großbritannien noch mitten in der tiefsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten steckte.
Das Wachstum von 0,5 Prozent liegt zwar deutlich über dem Plus von 0,1 Prozent im Frühjahr. Damals hatten aber Sondereffekte eine große Rolle gespielt wie eine geringere Industrieproduktion wegen des Extra-Feiertags zur Hochzeit von Prinz William und wegen der unterbrochenen Lieferketten nach dem Japan-Erdbeben. Analysten bezeichneten nun den BIP-Anstieg als überzogen.
Angst vor „Stillstand“ zu Jahresende
„Die Daten übertreiben die zugrundeliegende Stärke der Wirtschaft, sie werden für einige Zeit nicht mehr so gut werden“, sagte etwa Howard Archer von IHS Global Insight. Er rechnet mit einem Stillstand Ende 2011 und Anfang 2012. James Knightley von Global Economics erwartet sogar eine schrumpfende Konjunktur für das vierte Quartal: „Wegen des Rückgangs des Verbrauchervertrauens und Sorgen, was die Schuldenkrise in der Euro-Zone für die globale Nachfrage bedeutet, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr zur Rezession deutlich.“
Knightley geht davon aus, dass die britische Zentralbank deshalb ihre Notenpresse wieder beschleunigt und ihr Programm zum Ankauf von Staatsanleihen auf bis zu 300 Mrd. Pfund ausweiten könnte. Anfang Oktober hatte die Bank beschlossen, ihr Programm zur Stützung der Konjunktur wieder aufzunehmen, und ein Volumen von 75 Mrd. Pfund angepeilt.
Regierung gibt Griechen die Schuld
Finanzminister Osborne gewann den BIP-Daten auch Gutes ab: „Es ist ein positiver Schritt, die Wirtschaft wächst“, sagte er im Fernsehen. Die Erholung der Wirtschaft werde aber erschwert „durch die Art von Ereignissen, wie wir sie heute zum Beispiel an den Börsen erleben“, fügte Osborne in Anspielung auf die Auswirkungen der griechischen Krise hinzu. Britische Kommentatoren meinen allerdings, dass die schlechten Aussichten der britischen Wirtschaft eher hausgemacht seien und wenig mit der Euro-Krise zu tun hätten.
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