Härteres Vorgehen gegen Teheran
Für den Iran wird der Spielraum in Sachen Atomstreit nach dem jüngsten Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), der dem Iran Versuche zum Bau von Atomwaffen attestierte, immer kleiner. Nicht nur die Spekulationen über einen Militärschlag gegen Israel erhielten neuen Auftrieb.
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Nach den neuen Hinweisen auf ein Atomwaffenprogramm rief Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf. Die internationale Gemeinschaft müsse das Streben des Iran nach Atomwaffen unterbinden, sagte Netanjahu. Der Bericht bestätige den Verdacht, dass der Iran Atomwaffen herstelle. Es war die erste offizielle Reaktion Netanjahus auf den Bericht der IAEA.
Auch innerhalb der internationalen Gemeinschaft werden Rufe laut, dass man härter gegen Teheran vorgehen müsse. Wenn sich Teheran den Forderungen der internationalen Gemeinschaft weiter widersetze, sei man zu „Sanktionen beispiellosen Ausmaßes“ bereit, sagte etwa der französische Außenminister Alain Juppe am Mittwoch dem Radiosender RFI. Frankreich sei bereit, bei dem Thema im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen viel weiter zu gehen als bisher.
Der IAEA-Bericht zum Iran
Dem am Dienstag veröffentlichten IAEA-Bericht zum iranischen Atomprogramm zufolge liegen Belege vor, wonach der Iran an der Entwicklung einer Nuklearwaffe gearbeitet und dazu bereits Tests einzelner Komponenten vorgenommen hat.
Der französische Verteidigungsminister Gerard Longuet machte unterdessen deutlich, dass das nicht gleichbedeutend mit einem militärisches Eingreifen sei. „Wir können im wirtschaftlichen, technologischen und industriellen Bereich viel weiter gehen, ohne von einer gewaltsamen Lösung Gebrauch zu machen“, sagte er. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle bezeichnete neue Sanktionen als „unausweichlich“.
USA überdenken Möglichkeiten
Die USA und ihre Verbündeten dürfen nach Vorlage des Berichts auf härtere Sanktionen gegen den fünftgrößten Ölexporteur der Welt drängen. Möglich seien diese etwa gegen Geschäftsbanken, unwahrscheinlich dagegen ein Vorgehen gegen den Öl- und Gassektor sowie die Zentralbank, sagte ein US-Regierungsvertreter.
Nach Einschätzung von Sicherheitsexperten birgt der IAEA-Bericht zwar keine großen Überraschungen. Auch in Washington hieß es nach Informationen der „New York Times“, die USA verfügten bereits seit Jahren über entsprechende Informationen. Allerdings sei das Ausmaß der Details unvorstellbar. Der Bericht liste alle einzelnen Schritte auf, wie ein Atomsprengkopf hergestellt wird.
Sorge in EU steigt
Daher stieg auch in der Europäischen Union die Sorge vor einem atomar bewaffneten Iran deutlich. „Der neue Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde verschärft die Besorgnis über die Art des iranischen Atomprogramms erheblich“, sagte die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Mittwoch in Brüssel. Die EU werde sich „jetzt intern mit ihren Partnern abstimmen“, um eine „angemessene Reaktion“ der IAEA auszuarbeiten, sagte Ashton-Sprecherin Maja Kocijancic.
Österreich zeigt sich gegenüber dem Vorstoß zu neuen Sanktionen abwartend. Vorerst gebe es dazu weder ein Ja noch ein Nein des Außenamtes, sagte der Sprecher von Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP), Alexander Schallenberg, am Mittwoch gegenüber der APA. Der Außenminister rief den Iran angesichts des steigenden internationalen Drucks zur Kooperation auf.
Die Vetomacht Russland kündigte am Mittwoch hingegen an, im Weltsicherheitsrat keine härteren Sanktionsmaßnahmen gegen den Iran zu unterstützen. Das Moskauer Außenamt hatte den Bericht bereits am Dienstagabend als hinderlich für einen Dialog mit der Regierung in Teheran kritisiert. Dadurch würden die Chancen für eine diplomatische Lösung zunichtegemacht, hieß es.
Neue Nahrung für Militärschlag
Die Islamische Republik streitet ab, an Atomwaffen zu arbeiten, lehnt jedoch internationale Kontrollen ihrer Atomanlagen ab. In Israel wird die atomare Entwicklung des Landes als Bedrohung gesehen, da der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad dem jüdischen Staat wiederholt das Existenzrecht abgesprochen hat. Spekulationen über einen Militärschlag bekommen seit Tagen immer mehr Nahrung. Der neue IAEA-Bericht heizte diese weiter an.
Ahmadinedschad: Atomprogramm geht weiter
Der Iran wird trotz der internationalen Kritik und Sanktionsdrohungen sein Atomprogramm unbeirrt fortsetzen. Das sagte Ahmadinedschad bei einer Rede in der Stadt Schahrekord, wie der englischsprachige iranische Fernsehsender Press TV am Mittwoch berichtete. Nichts könne den Fortschritt im Land aufhalten, bekräftigte der Präsident dem Bericht zufolge. Er wies den IAEA-Bericht zurück und betonte, der Iran benötige keine Atomwaffen. „Wir brauchen keine Atombombe“, sagte Ahmadinedschad.
Auch der iranische Vertreter bei der IAEA, Ali Asghar Soltanieh, sagte am Mittwoch, der Iran werde „niemals seine legitimen Rechte aufgeben“. Dem IAEA-Chef Yukiya Amano warf er vor, in „parteiischer, politischer und unprofessioneller“ Weise gehandelt zu haben, da der veröffentlichte Bericht auf „falschen Anschuldigungen einer kleinen Anzahl von Ländern“ beruhe, darunter die USA. Teheran werde diesen „historischen Fehler nicht unbeantwortet lassen“, sagte er laut der Nachrichtenagentur IRNA. Die „Antwort“ werde gemeinsam mit anderen Staaten getroffen, die den Bericht ebenfalls ablehnten.
Primor: Machtkampf in islamischer Welt
Der Iran will nach Überzeugung des ehemaligen israelischen Botschafters in Deutschland, Avi Primor, in Wirklichkeit nicht gegen Israel, sondern gegen seine erdölproduzierenden arabischen Nachbarn vorgehen und setzt die antiisraelische Hasspropaganda als Mittel im Machtkampf innerhalb der islamischen Welt ein. Dagegen könnte Israel einen „glaubwürdigen Friedensprozess“ ins Leben rufen, der dem Iran „den Wind aus den Segeln nimmt“, rät der Publizist und frühere Spitzendiplomat in einem Beitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe).
„Viele meinen, dass ein Präventivschlag (gegen den Iran) unumgänglich geworden ist, weil die Welt Israel nicht helfen wird“, schreibt Primor. Fraglich sei, ob selbst ein erfolgreicher israelischer Angriff das iranische Vorhaben endgültig zunichtemachen könne. Bei allen innenpolitischen Probleme in Israel kommt der politischen Führung der Iran als Feind nicht ungelegen. Denn „um nichts sorgt sich die israelische Bevölkerung mehr als um die Sicherheit - und nichts hält sie stärker zusammen als die Kriegsgefahr“, so Primor.
Die Führung in Teheran wisse, dass die USA „kein neues, gefährliches Abenteuer wagen werden - Amerika ist getroffen von der Wirtschaftskrise, hat in Irak und Afghanistan genug Probleme, und auch die Wahlen stehen an. Was also ist der Sinn des Tumults?“, fragt sich Primor.
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