Viele Baustellen auf Agenda in Cannes
Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs aus den führenden Schwellen- und Industrieländern (G-20) steht unter einem ungünstigen Stern. Die Lage vor dem am Donnerstag beginnenden Treffen im südfranzösischen Cannes ist explosiv.
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Zwar dachten etwa die Euro-Länder, sie hätten vor einigen Tagen das am heftigsten lodernde Krisenfeuer Griechenland eingedämmt. Doch inzwischen steht das schon wieder infrage. Nun soll das griechische Volk über das neue Hilfspaket der Partner befinden. Damit bleibt die Unsicherheit.
Auch die drastische Rücknahme der Wachstumsprognosen seitens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für die USA und Europa verweist auf neue Gefahren. Darüber hinaus griff Japan gerade zum wiederholten Mal am Devisenmarkt ein, um den Yen vor weiteren exportgefährdenden Kurssteigerungen zu bewahren. All das belegt vor allem eines: Die Weltwirtschaft ist und bleibt in Unordnung.
Düstere Prognosen
„Der inhaltliche Schwerpunkt ist ohne Zweifel die weltwirtschaftliche Entwicklung“, beschrieb ein hoher deutscher Regierungsvertreter die Agenda des G-20-Gipfels Ende der Woche. Unter dieser Überschrift lässt sich vieles anordnen. Klar ist, ohne ausreichendes Wachstum werden all die ehrgeizigen Reformbemühungen der G-20 auf den verschiedenen Feldern unendlich schwierig.
Und da bietet die OECD aktuell nur Düsteres. Gerade noch 0,3 Prozent Wachstum für die Länder der Euro-Zone erwartet die Organisation für das nächste Jahr, statt wie bisher 2,0 Prozent, und nur noch 1,8 Prozent für die USA statt 3,1 Prozent. Von der G-20 verlangte die OECD daher entschiedenes Handeln, mit Strukturreformen und anderen vertrauensbildenden Schritten.
Nur kurze Entspannung in Griechenland-Krise
Die Erleichterung der Europäer nach den Beschlüssen vom Euro-Gipfel zur Bekämpfung ihrer Schuldenkrise haben schon wieder einen Dämpfer bekommen. „Die Europäer können das vorweisen, was sie in der letzten Woche beschlossen haben“, sagte noch zu Wochenbeginn der deutsche Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen, der auf deutscher Seite den Gipfel vorbereitete, in einem Reuters-Interview. Doch die griechische Regierung hat das schon wieder mit Fragezeichen versehen.
Schuldenstreit auch in den USA
Allerdings haben nicht nur die Europäer eine Bringschuld bei Schuldenkrisen. Auch in den USA ist der politische Streit über den Schuldenabbau wieder aufgebrochen, und Japan kämpft seit langem gegen exorbitante Schuldenquoten jenseits von 200 Prozent - weit mehr als selbst Griechenland sie je kannte.
Die Deutschen wollen die Partner in der G-20 daher beim Thema Konsolidierung an das Versprechen vom Gipfel in Toronto vor zwei Jahren erinnern. Damals hatten die Länder der Gruppe zugesagt, die Neuverschuldung bis 2013 zu halbieren und die Gesamtverschuldung bis 2016 zu stabilisieren. Die USA und Japan haben aber noch nichts Zählbares vorzuweisen.
Suche nach Mitteln gegen Ungleichgewichte
Ein weiteres Krisenfeld, das die G-20 in Cannes beschäftigt, sind die weltweiten Ungleichgewichte verbunden mit Turbulenzen an den Weltwährungsmärkten. Am Montag intervenierte Japan zum dritten Mal in diesem Jahr, um den Höhenflug des Yen zu dämpfen. Notenbankchef Masaaki Schirakawa sieht die Yen-Kursentwicklung als einen Beleg, wie die europäische Schuldenkrise auch Japan trifft.
Zwei Ansatzpunkte dazu will die G-20 in Cannes beschließen. Sie will einen Aktionsplan vereinbaren, um mit Hilfe von länderspezifischen Empfehlungen für Strukturreformen, mehr Konsolidierungsanstrengungen und Wechselkursflexibilität für ein ausgewogeneres Wachstum zu sorgen. Und sie will mit einer Reform des Weltwährungssystems mehr Stabilität erreichen sowie Nervosität und exorbitante Kursschwankungen mindern.
Heißes Eisen Finanzmarktregulierung
Mehr Stabilität ist auch das Thema, wenn es in Cannes um weitere Schritte zur Finanzmarktregulierung geht. Die global tätigen Finanzriesen sollen größere Kapitalpuffer zur Risikovorsorge vorhalten müssen. Und die Schattenbanken, wie etwa die Hedgefonds, sollen nicht mehr weitgehend unreguliert und unkontrolliert Geschäfte im Verborgenen betreiben.
„Wer wie eine Bank agiert, soll wie eine Bank behandelt werden“, lautet das Motto. Gerade die Deutschen wollen hier Druck machen. Allerdings haben sie Zweifel, ob das am Ende reicht. Die Finanztransaktionssteuer jedenfalls, die Deutschland und Frankreich nochmals auf den Tisch bringen wollen, halten die Deutschen selbst für kaum konsensfähig in diesem Rahmen.
Kampf gegen Protektionismus
Noch einem Dauerthema wollen sich die G-20-Mächtigen widmen: dem Kampf gegen Protektionismus und einem Abschluss der Doha-Runde zum Abbau von Handelshürden. Das Thema, so wird standhaft versichert, sei noch nicht tot.
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