Kampf gegen die Zeit
Zwei Tage nach dem schweren Erdbeben in der Türkei haben Rettungsmannschaften sieben weitere Verschüttete lebend geborgen. Am Vortag war bereits ein Baby lebend aus den Trümmern geborgen worden. Auch am Dienstag wurde ein Baby lebend aus den Trümmern gerettet. Rettungsmannschaften setzten ihre Suche nach Opfern am Dienstag fort.
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Inzwischen sind laut Regierungsangaben mehr als 2.300 Rettungskräfte in der Provinz im Einsatz. Helfer haben inzwischen die Leichen von mindestens 366 Menschen geborgen. Etwa 1.300 Menschen seien bei der Katastrophe in der Provinz Van verletzt worden, sagte Vizeregierungschef Bülent Arinc. Noch immer ist unklar, wie viele Menschen bei dem Erdbeben ums Leben kamen.
„Um Platz zum Überleben gekämpft“
Bei den lebend Verschütteten spielten sich offenbar teils dramatische Szenen ab. „Es war wie das Jüngste Gericht“, sagte ein junger Mann, nachdem er zwei Tage verschüttet war. Der 18-jährige Mesut Özan Yilmaz schilderte dem Sender CNN Türk seine Eindrücke von den 32 Stunden, die er lebend unter den Trümmern eines Teehauses begraben war. Er habe sich unter einen Tisch retten können, unter dem es jedoch sehr eng gewesen sei. Wie seine mit ihm verschütteten Freunde habe er um mehr Platz zum Überleben gekämpft. „Ich habe meinen Kopf auf die Füße eines toten Mannes gelegt“, berichtete der unverletzt gebliebene Yilmaz.

APA/Rainer Waxmann
Die Bebenregion liegt nahe der Grenze zum Iran
Auch in der Nacht war versucht worden, aus den Trümmern eingestürzter Häuser mögliche Überlebende und Tote zu bergen, berichteten türkische Medien. Die Katastrophenschützer arbeiteten in der am stärksten zerstörten Stadt Ercis im Licht von Scheinwerfern, ohne jedoch nach Mitternacht noch Überlebende in der Stadt zu finden.
Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt
Die Bewohner der Unglücksregion im Osten der Türkei verbrachten bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt die zweite Nacht im Freien. „Ich zittere immer noch vor Angst. Solange die Nachbeben andauern, bleiben wir auf der Straße“, sagte eine Frau, während sie sich vor einem Feuer im Stadtzentrum von Van wärmte. Die Menschen suchten in Autos, Zelten und unter Decken Schutz vor der nächtlichen Kälte. Das Beben am Sonntag hatte die Stärke 7,2. Die Zahl der zerstörten Häuser wurde am Dienstag von 970 auf 2.262 korrigiert, wie der Fernsehsender CNN Türk unter Berufung auf den Krisenstab der Regierung berichtete.
Der türkische Rote Halbmond will die Situation der Menschen mit insgesamt mehr als 11.000 Zelten verbessern. Bisher habe die Hilfsorganisation 452 Zeltlager aufgebaut, berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Montag. Bei Einbruch der Dunkelheit waren in der am stärksten betroffenen Stadt Ercis und den Vororten weiter mehrere tausend Menschen an Lagerfeuern ohne weiteren Schutz.
Hilfe auch für Kurdengebiete
Einen Tag nach dem Beben sagte Innenminister Idris Naim Sahin, die am Vortag von der Istanbuler Erdbebenwarte Kandilli befürchtete Zahl von 1.000 Toten werde nicht erreicht. Die türkische Regierung schickte mehr als 1.200 Helfer in die Provinz Van, die mehrheitlich von Kurden bewohnt wird. Sie liegt im Südosten des Landes und grenzt an den Iran.
Ständige Bebenangst
In der Provinz Van gab es 1976 ein Erdbeben mit fast 4.000 Toten. Das Land lebt in ständiger Angst vor neuen Erdstößen durch die Reibung tektonischer Platten in der Erdkruste. Rund 92 Prozent des Landes liegen auf Erdbebengürteln.
Aus dem ganzen Land wurden Ärzte und Helfer in die Region gebracht, um die Verletzten zu versorgen. Regierungschef Recep Tayyip Erdogan versprach in der Nacht auf Montag in der Provinzhauptstadt Van einen verstärkten Hilfseinsatz der Armee. „Wir werden keinen Bürger in der Kälte lassen.“ Am Montag protestierten nach Einbruch der Dunkelheit mehrere Familien in Ercis, weil sie keine Zelte bekommen hatten.
Internationale Hilfe
Aserbaidschan, Bulgarien und der Iran schickten Hilfe in die Türkei, obwohl Ankara erklärt hatte, mit der Lage selbst fertig zu werden. Die Regierung akzeptierte aber die Hilfsangebote, weil sie bereits am Vortag auf den Weg gebracht worden waren. Auch die EU bot Hilfe an.
Das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK) steht in Kontakt mit seiner Schwesterorganisation, dem türkischen Roten Halbmond. „Wir sind selbstverständlich in ständigem Kontakt mit unseren türkischen Kollegen, haben unsere Unterstützung angeboten und stehen bei Bedarf sowohl mit Personal als auch mit Hilfsgütern bereit“, sagte ÖRK-Generalsekretär Wolfgang Kopetzky am Montag.
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