„Traurige Nachricht“
Der Bonner Stammzellen- und Hirnforscher Oliver Brüstle hat mit großer Enttäuschung auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg reagiert, wonach embryonale Stammzellen nicht patentiert werden können. In einem dpa-Interview erläuterte Brüstle am Dienstag seine Position.
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Wie sehen Sie das Urteil?
Oliver Brüstle: „Das Urteil ist ein ganz schlechtes Signal für die Wissenschaftler in Europa. Zugleich bedeutet es auch eine Stigmatisierung dieses ganzen Forschungszweigs. Im Grunde geht es nicht um das konkrete Patent, sondern um ein weitreichendes Signal: Was Ihr macht, das ist nicht moralisch.“
Was sollte das Patent abdecken?
Brüstle: „Es geht um die Gewinnung von Nervenzellen aus international bereits vorliegenden menschlichen embryonalen Stammzellen, die aus künstlicher Befruchtung gewonnen wurden. Diese sind inzwischen verfügbar und dürfen auch genutzt werden. Mit solchen Zelllinien arbeiten wir auch in Bonn. Es geht nicht um die Neugewinnung von Stammzellen, sondern um die Umsetzung in Produkte. Wir wollen Nervenzellen gewinnen, die in der Behandlung von Erkrankungen eingesetzt werden können. Durch das Urteil wird eine solche Anwendung beeinträchtigt.“
Sie dürfen doch aber weiter forschen?
Brüstle: Das ja, die universitäre Forschung ist frei und wird dadurch auch nicht eingeschränkt. Nach dem Urteil darf man auch Grundlagenforschung machen, aber eben keine Umsetzung. Aber uns geht es ja gerade um die Brücke zu Verfahren, Produkten und Unternehmen. Patente sind dafür wichtig, dass sich auch Investoren und Unternehmen engagieren. Sie wollen durch Patente abgesichert und geschützt sein. Dann stellt sich auch die Frage nach der Forschung, wenn die Ergebnisse nicht patentierbar sind."
Was bedeutet also der Richterspruch für die Forschung?
Brüstle: „Für den Standort Europa ergibt sich eine ganz schlechte Situation. Europa ist im Prinzip abgemeldet, was die Verfahrensentwicklung anbetrifft. Auch viele andere bereits angemeldete Patente aus Schweden oder Großbritannien werden wertlos. Das Urteil kommt zu einem Zeitpunkt, wo klinische Studien auch in Europa in Gang sind, wie etwa in London zu Netzhauterkrankungen. In den USA wird ohne solche Restriktionen schon längst mit diesen Zellen behandelt.“
Wie geht es weiter?
Brüstle: Der Brain Drain der auf diesem Feld tätigen jungen Wissenschaftler weg aus Europa wird sich sicherlich verstärken. Es ist bedauerlich, dass die Umsetzung der Forschung nicht in Europa stattfinden kann. Ich selbst muss jetzt erst mal in Ruhe die Konsequenzen überdenken. Es geht auch nicht um Brüstle, sondern um einen ganzen hoffnungsvollen Bereich, und für den ist es ein trauriger Tag."
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