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„Fahrlässig gehandelt“

Michael Jacksons früherer Leibarzt Conrad Murray hätte das Leben des Popstars nach Aussage eines Mediziners mit geeigneten Maßnahmen retten können. Man müsse kein Arzt sein, um zu wissen, dass man die Notrufnummer 911 wählen müsse, wenn jemand leblos aufgefunden werde, sagte der Herzspezialist Alon Steinberg am Mittwoch im Prozess gegen Murray vor Gericht in Los Angeles.

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Murray habe weder über die notwendige medizinische Ausrüstung noch über die benötigten Medikamente verfügt. „Michael Jackson hätte gerettet werden können“, Murray habe aber seine Pflichten „schwer vernachlässigt“, sagte Steinberg. Die Staatsanwaltschaft wirft Murray vor, Jackson eine Überdosis des Narkosemittels Propofol gegeben und ihn dann vernachlässigt zu haben. Im Falle eines Schuldspruchs wegen fahrlässiger Tötung drohen ihm bis zu vier Jahre Haft.

Murray hatte Jackson nach eigener Aussage nach einer schlaflosen Nacht am 25. Juni 2009 gegen 10.40 Uhr 25 Milligramm Propofol verabreicht. Rund 20 Minuten später ging er nach eigener Darstellung für „ungefähr zwei Minuten“ auf die Toilette. Als er zurückkehrte, habe Jackson nicht mehr geatmet.

Hatte noch Puls

Steinberg wies aber darauf hin, dass Jackson zu diesem Zeitpunkt noch einen Puls gehabt habe. „Er hätte zu diesem Zeitpunkt ganz eindeutig noch gerettet werden können.“ Die Sanitäter wurden erst um 12.20 Uhr gerufen und erreichten Jacksons Villa nach sechs Minuten. „Michael Jackson wäre noch am Leben“, wenn die Sanitäter sofort gerufen worden wären, sagte Steinberg.

Es sei aber bereits fahrlässig gewesen, Jackson alleine zu lassen, sagte Steinberg. Nach der Verabreichung von Propofol sei das, als lasse man ein Baby alleine auf dem Küchentisch schlafen. Auch der Lungenfacharzt und Intensivmediziner Nader Kamangar sagte, es sei „unfassbar“, dass Murray Jackson in diesem Zustand auch nur für kurze Zeit allein gelassen habe.

Kehrtwende der Verteidigung

Die Verteidigung überraschte am Mittwoch mit einer Kehrtwende in ihrer Erklärung, wie Jackson ums Leben kam. Murrays Anwälte vertraten bisher die Theorie, dass Jackson zum Einschlafen möglicherweise das Narkosemittel Propofol heimlich schluckte, als sein Arzt kurz das Zimmer verlassen hatte.

Am Mittwoch räumte Murrays Verteidiger Michael Flanagan ein, dass die Einnahme von Propofol durch den Mund nicht zum Tode führen würde. Nun hält die Verteidigung an der Theorie fest, dass sich Jackson das Mittel selbst spritzte, nachdem Murray den Raum verlassen hatte. Das Narkosemittel wird Patienten vor Operationen normalerweise intravenös verabreicht.

Prozess bis Ende Oktober

Im Falle eines Schuldspruchs drohen dem 58-jährigen Herzspezialisten Conrad Murray bis zu vier Jahre Haft. Das Urteil wird für Ende des Monats erwartet.

Murray: Jackson bettelte um Propofol

Bereits letzte Woche waren im Prozess die Tonbandaufnahmen der Einvernahme von Murray durch die Polizei vorgespielt worden. Murray gab darin zu Protokoll, er habe drei Tage vor Jacksons Tod damit begonnen, den Musiker von dem Medikament zu entwöhnen, das dieser als Schlafmittel nutzte und das zu seinem Tod geführt haben soll.

Die Nacht vor seinem Tod habe Jackson nicht schlafen können, sagte Murray der Polizei. Er habe ihm vergeblich andere Schlafmittel verabreicht, in den Morgenstunden habe ihm Jackson dann gesagt: „Ich muss schlafen, Dr. Conrad (...). Sie wissen, ich kann nicht funktionieren, wenn ich keinen Schlaf bekomme.“ Jackson habe dann um seine „Milch“ gebeten - so habe er Propofol genannte, sagte Conrad: „Bitte, bitte, geben Sie mir etwas Milch, damit ich schlafen kann.“ Gegen 10.40 Uhr habe er ihm dann 25 Milligramm Propofol gespritzt.

Er sei gegen 11.00 Uhr auf die Toilette gegangen, sagte Murray weiter. Als er nach „ungefähr zwei Minuten“ an das Bett des Popstars zurückgekehrt sei, habe dieser nicht mehr geatmet. Er habe daraufhin umgehend mit einer Herz-Lungen-Massage begonnen. Unklar ist bisher, warum noch fast eineinhalb Stunden verstrichen, bis um 12.20 Uhr der Notarzt gerufen wurde. Der Arzt machte auch keine Angaben über mehrere Telefonate, die er in der Zeit geführt haben soll.

Von Sanitäter und Notärztin belastet

Bei ihren Aussagen Anfang Oktober hatten auch der Rettungssanitäter und die Notärztin, die den Popstar für tot erklären ließ, Jacksons Leibarzt schwer belastet. Der Sanitäter Richard Senneff sagte, Murray habe ihn über den Gesundheitszustand Jacksons belogen. Laut Senneff hörte Jacksons Herz entgegen den Angaben des Arztes mindestens 20 Minuten vor der Ankunft der Helfer auf zu schlagen. Senneff sagte, Murray habe beim Eintreffen der Sanitäter am 25. Juni 2009 um 12.26 Uhr verschwiegen, dass er seinem Patienten das starke Betäubungsmittel Propofol verabreicht hatte.

Er habe lediglich angegeben, dass er dem Sänger das Beruhigungsmittel Lorazepam zum besseren Einschlafen gegeben habe. „Er hat nie das Wort ‚Propofol‘ erwähnt.“ Das bestätigte vor Gericht auch ein anderer Sanitäter, Martin Blount, dem zufolge Jackson „sehr blass und sehr dünn“ war. Senneff sagte, Murray habe wie vor Angst gelähmt gewirkt. Auch Notärztin Richelle Cooper sagte, Murray habe ihr lediglich mitgeteilt, dass Jackson ein Beruhigungsmittel eingenommen hatte. Die Verabreichung des Narkosemittels habe er verschwiegen, sagte Cooper im Zeugenstand.

Ermittlerin gestand Fehler ein

Im Kreuzverhör der Verteidigung musste eine Ermittlerin Fehler beim Sichern der Spuren einräumen. Die Mitarbeiterin der Gerichtsmedizin, Elissa Fleak, hatte nach dem Tod des Sängers in dessen Schlafzimmer Beweise gesammelt. Dabei hinterließ sie Fingerabdrücke. Und sie versäumte es, den Inhalt einer Flasche am Bett des „King of Pop“ auf Spuren von Medikamenten zu testen.

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