Faustwatsche statt Understatement
Der Schriftsteller Thomas Glavinic landete mit „Wie man leben soll“ im Jahr 2004 einen Bestseller. Nun wurde der Roman, geschrieben als Persiflage auf Lebenshilferatgeber, von Regisseur David Schalko („Donnerstagnacht“ im ORF) verfilmt. Am Drehbuch arbeitete der Kabarettist Thomas Maurer mit.
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Undenkbar, dass der Film in heimischen Kinos kein Erfolg wird. Der ohnehin bereits humorvolle Text wurde mit viel Witz umgesetzt. Zudem ließen sich für die Nebenrollen zahlreiche Prominente engagieren. Vor allem aber lebt der Film von der „Wickie, Slime und Piper“-Nostalgie all jener, die zwischen 1980 und 1995 maturiert und dann in Wien zu studieren begonnen haben. Wer damals dabei war, kann halbminütlich Anspielungen dechiffrieren, ob in der Ausstattung, im Kostüm oder bei der Musik, in Glavinics Dialogen und sogar bei den Namen der Protagonisten.
Im Mittelpunkt der Handlung steht Charlie, gespielt vom deutschen Schauspieler Axel Ranisch, der synchronisiert werden musste, weil der Versuch, wie ein Wiener zu klingen - schlampiges Schönbrunnerdeutsch mit Dialekteinsprengseln war das Ziel -, wohl zum Scheitern verurteilt gewesen wäre. In Hollywood heißt es immer, dass Schauspielerinnen dann den Oscar verliehen bekommen, wenn sie hässlich hergerichtet werden. In dieser Hinsicht musste Ranisch einiges über sich ergehen lassen - bis hin zur Selbstaufgabe.

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Traumpaar aus dem „ÖKM“: Maria Hofstätter und Josef Hader
Promireigen, eine Auswahl
Josef Hader, Robert Palfrader, Roman Stadlober, Manuel Rubey, Bibiana Zeller, Lukas Resetarits, Emily Cox, Thomas Müller (der Kriminalpsychologe), Armin Wolf, Serge Falck, Roberto Blanco, Elisabeth Engstler, Oliver Baier und noch einige mehr.
Schnorrer, Loser, Swinger
Denn Charlie ist ein Loser, dem man ansieht, ein Loser zu sein, da haben Kostüm und Maske ganze Arbeit geleistet. Er studiert Kunstgeschichte, weil ihm nichts Besseres eingefallen ist. Geld schnorrt er von Verwandten (grandios: Bibiana Zeller als Schröpftantchen). Nach dem Beziehungsende mit der Jugendliebe herrscht Ebbe im Bett, bis er auf eine „ÖKM“-Anzeige antwortet und fortan regelmäßig Sex mit einem älteren Ehepaar (Josef Hader und Maria Hofstätter) hat. Bei den „Jusos“ machen sich alle wichtig - er säuft zwar mit, verpasst aber den Anschluss, als es zu den Futtertrögen geht. Bleibt nur noch eins: Taxifahren.
Schalko und Maurer übernahmen einen Teil der Ratgeberinhalte, die im Buch als Kommentare der Handlung beigefügt sind. Auch im Film kommt ganz gut rüber, dass sich diese Ratschläge höchstens zur kurzfristigen Symptombekämpfung von Problemen eignen, nicht aber zur Problemlösung. Ein unreifer Entscheidungsverweigerer ist mit diesen Mitteln nicht zu kurieren. Das erledigt schließlich das Schicksal - und dem entkommt man nicht, auch nicht mit Tagträumen.

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Alles geht schief? Selber schuld
Die „Bully Herbigs“ Österreichs
In so einen flieht Charlie in einer der besten Szenen des Films. Gerade hat er eine hübsche Studentin (Emily Cox, die in immer mehr Rollen positiv auffällt) kennengelernt. Schüchtern läuft er auf dem Gehsteig neben ihr her. Jetzt müsste passieren: Ein paar Halbstarke wollen die beiden ausrauben. Er schlägt sie Bud-Spencer-gleich zusammen (mit eingespielter Bud-Spencer-Synchrostimme), inklusive der legendären Stereo-Faustwatsche. Ein Heidenspaß für die oben genannte Generation, die mit Bud Spencer am Samstagnachmittag aufgewachsen ist.
Der Film ist frei von Understatement und Tiefgang, aber ein Schenkelklopfer, den alle zu schätzen wissen werden, die jemals ein geisteswissenschaftliches Studium in Wien angefangen haben, und das ist - gefühlt - jeder zweite Österreicher. Glavinic sagte bei der Premiere im Scherz sinngemäß, er müsse nicht nervös sein, weil: Wenn der Film gut ankommt, ist das wegen seines guten Buches; fällt der Film durch, dann kann er nichts für die schlechte Umsetzung. Glavinic braucht sich keine Sorgen zu machen, er, Schalko und Maurer werden als die „Bully Herbigs“ der Ex-Maturanten in die österreichische Filmgeschichte eingehen. Das ist nicht nichts.
Simon Hadler, ORF.at
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