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„Der ‚Müsli-Look‘ ist Historie“

In der Ökobranche hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. In beinahe jedem Supermarkt gibt es Biolebensmittel - es ist in, nachhaltig einzukaufen. Der Trend des bewussten Konsumierens macht sich immer mehr auch in der Modebranche bemerkbar. Während selbst Riesen wie H&M auf Druck von außen hin versuchen, ihr Image zu säubern, legen immer mehr Menschen Wert auf 100 Prozent bio.

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„Die Nachfrage nach fairer und ökologischer Mode wird immer größer“, urteilt Johannes Heiml, Initiator der WearFair-Messe, und Mitarbeiter der entwicklungspolitischen Agentur Südwind, im Interview mit ORF.at. Zum vierten Mal lädt Südwind an diesem Wochenende in Linz zu Österreichs einziger Messe für nachhaltige Mode. Bis Sonntag präsentieren mehr als 60 internationale Aussteller faire Produkte - neben herkömmlicher Kleidung zählen dazu auch Kuriositäten wie Biotampons, Schmuck, hergestellt aus Abfall, und Feng-Shui-Kleidung.

Stand aus Karton mit T-Shirts bei der Wear Fair Messe in Linz

ORF.at/Birgit Hajek

Mehr als 130 Labels werden auf der WearFair präsentiert

Beim Spazieren durch das Messegelände wird eines schnell klar: Ökomode wird längst nicht mehr als Alternative zur konventionellen Mode gesehen - und lässt sich damit wohl auch nicht mehr automatisch als politisches Statement verstehen. Vielmehr passt sie ihr Design der konventionellen Mode an. Die Filzpatschen und Häkelkleider gibt es zwar immer noch, sie werden jedoch von Designerstücken in den Hintergrund gedrängt.

Öko allein „reicht nicht mehr aus“

„Einfach ein paar T-Shirts oder Sweater zu machen, reicht nicht mehr aus“, sagt Matthias Hebeler, der Geschäftsführer des deutschen Labels brainshirt. Bio und sauber führe nur dann zum Erfolg, wenn es auch gut aussehe. Hebeler kombiniert in seinen Produkten etwas, von dem man landläufig nicht meinen würde, dass es viele Gemeinsamkeiten aufweist: Er produziert seit drei Jahren faire und ökologische Businesskleidung. Verwendet wird für die Hemden, Pullover, Socken, und Boxershorts amerikanische Baumwolle - gesponnen wird in Vorarlberg, konfektioniert im Burgenland.

Standbesitzer steht neben seinen Hemden

ORF.at/Birgit Hajek

Hebeler lässt seine Hemden im Burgenland konfektionieren - für die Produzenten ist die Bioproduktion aus seiner Sicht Unterscheidungsmerkmal und Wettbewerbsfaktor

Für etwa die Hälfte seiner Kunden steht das Design und Materialgefühl der Hemden im Vordergrund - dass sie zusätzlich auch noch bio und nachhaltig produziert sind, ist für sie nur ein „extra Benefit“, erklärt Hebeler.

Concept-Stores statt Dritte-Welt-Läden

Das sieht auch Heiml ähnlich: „Der ‚Müsli-Look‘ ist Historie“, und mit ihm auch die Zeit von selbst gehäkelten Ponchos und Birkenstock-Sandalen. Bei einer repräsentativen Umfrage unter nachhaltigen Modelabels aus ganz Europa zeigte sich, dass die Hälfte die Aspekte Bio und Fair in den Vordergrund stellt, der Rest jedoch das Design. „Das sind keine Dritte-Welt-Läden mehr, das sind Fancy-Concept-Stores“, so Heiml. Die Produzenten erreichen damit eine viel breitere Kundenschicht und setzen zunehmend auf das Internet als Vertriebsschiene.

Mann häkelt in seinem Stand Mützen, im Vordergrund ein Kleidungsständer mit Mützen

ORF.at/Birgit Hajek

Es gibt sie noch, die Stände mit gehäkelten Taschen und Kappen - aber nicht mehr viele davon

Bio gerne, aber bitte mit fairem Preis

Das Marktpotenzial ist jedenfalls groß: Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts OGM im Auftrag von Südwind zeigt, so Heiml, dass rund zwei Drittel der heimischen Bevölkerung faire und ökologische Produktion bei Bekleidung wichtig findet. Der Knackpunkt liegt aber im Preis: Zwar gaben bei der Umfrage 54 Prozent an, bereit zu sein, mehr für faire Bekleidung zu zahlen. Allerdings würde nur gut die Hälfte von ihnen zehn Prozent mehr ausgeben, und schon nur mehr gut ein Zehntel bis zu 20 Prozent Aufpreis in Kauf nehmen. Angesichts von Bio-T-Shirt-Preisen teils jenseits der 40-Euro-Grenze sind diese Vorstellungen freilich nicht ganz realistisch.

Was ist bio, was ist fair?

Biobaumwolle wird in Mischkultur angebaut, im Gegensatz zur konventionellen Baumwolle, die jährlich in Monokultur hergestellt wird. Außerdem wird auf chemischen Dünger und Pestizide verzichtet, Gentechnik ist streng verboten.

„Fair gehandelte“ Bauwolle bedeutet, dass die Bauern einen gerechten Lohn erhalten.

Das Gütesiegel schlechthin für nachhaltige Mode ist „GOTS“ (Global Organic Textile Standard). Darin wird die gesamte Zulieferkette zertifiziert.

Damit sich faire Mode auch wirklich durchsetzen kann, muss auch der Preis „fair“ sein, ist Hebele überzeugt. Er kritisiert, dass auch bei einigen Fairtrade-Labels ein viel zu großer Anteil am Erlös beim Händler bleibt, die T-Shirts würden etwa in Afrika um vier, fünf Euro ein-, und dann um den zehnfachen Preis in Europa wiederverkauft.

H&M ist nicht nur böse

Dass mittlerweile auch Moderiesen, die nicht unbedingt für ihre „sauberen“ Praktiken bekannt sind, auf Bio setzen, wird von vielen als Chance gesehen: „Hinter H&M steht einfach eine ganz andere Marktmacht - wenn dort nur ein kleiner Teil der Kollektion in Biobaumwolle angeboten wird, erreicht das mehr als die ganze WearFair-Messe“, ist Hebele überzeugt. Laut Gabriele Mitterlehner, der Inhaberin des Labels greenfeel, schaffen Bioangebote von H&M oder auch von Supermarktketten vor allem Bewusstsein in der Bevölkerung. Das Thema werde so einer breiten Masse zugänglich gemacht.

Es sind die Moderiesen, die für den raschen Anstieg der Biobaumwollproduktion verantwortlich sind: H&M ist der größte Verarbeiter von Biobaumwolle, am zweiten Platz liegt C&A. Die Biobaumwollumsätze sind seit 2001 um jährlich rund 40 Prozent angestiegen.

Petra Fleck, ORF.at

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