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Betroffene „fliegen aus allen Wolken“

Laut Armutskonferenz sind 100.000 Menschen in Österreich nicht krankenversichert. Aber: Nur ein kleiner Teil ist langfristig aus der Krankenversicherung ausgeschlossen. Der Großteil ist vorübergehend nicht versichert. Vor allem bei Übergängen von der Schule zum Studium und auch nach Scheidungen passiert es oft, dass Menschen nicht einmal wissen, dass sie nicht versichert sind.

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„Die fliegen dann immer aus allen Wolken, wenn sie die E-Karte beim Arzt hineinstecken und das System erklärt: Null, geht nicht, ist nichts“, so Martin Schenk, Sozialexperte von Diakonie und Armutskonferenz. Ein wesentlicher Punkt ist für Schenk auch die Situation von Menschen mit prekären Arbeitsverhältnissen. Sie haben oft kein ordentliches Angestelltenverhältnis, sind neue Selbstständige oder haben Leih- oder Werkverträge.

Horrende Kosten

„Diese haben die Aufgabe, sich selbst zu versichern. Aber wenn man nicht viel Geld hat, dann stellt man sich am Ende des Monats die Frage: Soll ich die Miete zahlen, den Strom, die Schulsachen für die Kinder oder meine eigene Krankenversicherung?“, so Schenk.

In einer solchen Situation treffen Familien oft die Entscheidung, den Strom und die Miete zu zahlen und die Versicherung zu vernachlässigen. Werden diese Menschen just in dem Monat krank, in dem sie nicht versichert sind, dann können oft horrende Kosten entstehen. Laut Wiener Krankenanstaltenverbund kann schon ein Beinbruch mit erforderlicher Operation bis zu 3.500 Euro kosten. Ist man nicht versichert, so muss man die Kosten dafür selbst tragen.

Ministerium zufrieden mit System

Seitens des Gesundheitsministeriums zeigt man sich mit dem Gesundheitssystem zufrieden: „Wir haben mit der Einführung der Mindestsicherung sehr viel bewirkt. 99 Prozent der Bevölkerung sind anspruchsberechtigt. Das ist im internationalen Vergleich sehr gut“, so der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Fabian Fußeis. Ähnlich sieht das der Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Sprecher Dieter Holzweber glaubt nicht an die Zahl 100.000: „Die gehört unserer Ansicht nach der Vergangenheit an.“

Verzicht aus „Scham und Angst“

Berechtigt, Mindestsicherung zu beantragen, wären laut Schenk viel mehr, als das bisher getan haben: „Nur die Hälfte derer, die Anspruch auf Sozialhilfe hätten, nehmen diese auch in Anspruch. Die sogenannte ‚Non take up‘-Rate ist somit sehr hoch“, so Schenk gegenüber ORF.at. Die Gründe dafür sieht der Sozialexperte in Scham und Angst.

Krankenversicherung bekommt man nur, wenn man aufs jeweilige Sozialamt geht und Mindestsicherung beantragt. Schenk: „Seine eigene Situation öffentlich zu machen, in einer kleinen Landgemeinde mit 800 oder 900 Einwohnern aufs Gemeindeamt zu gehen, wo man jeden kennt, und zu sagen: Ich brauche Hilfe, das ist oft nicht einfach.“ Deshalb gingen viele diesen Schritt nicht und seien somit auch nicht krankenversichert.

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