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Keine Gnade für Davis

Der Fall des US-Amerikaners Troy Davis hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Der 42-Jährige sitzt seit 20 Jahren - seiner Meinung nach unschuldig - in der Todeszelle. Bis zuletzt kämpften seine Anwälte um ein Begnadigungsgesuch. Am Dienstag platzte die letzte Chance: Der Begnadigungsausschuss des Staates Georgia lehnte ein Ansuchen auf Umwandlung der Todesstrafe in lebenslange Haft ab.

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Die Beamten im „Board of Pardons and Parole“ (Begnadigungsausschuss) von Georgia nahmen sich Zeit für ihre Entscheidung. Am Montag nahmen sie auf Druck der Öffentlichkeit die Beratungen über eine Aufhebung der Todesstrafe auf. Am Dienstag dann das Urteil: Davis wird nach 20 Jahren im Todestrakt im Gefängnis von Jackson hingerichtet. Für seine Unterstützer war diese Mitteilung ein Schock. Amnesty International sprach von einem „riesigen Rückschlag für die Menschenrechte in den USA“. Davis sei unter „dubiosen Umständen“ verurteilt worden.

Troy Davis

AP/Georgia Department of Corrections

Troy Davis sitzt seit 1991 in der Todeszelle

Polizist von Unbekannten erschossen

Der Mordfall gehört zu den umstrittensten Justizfällen der letzten Jahrzehnte. Fest steht, dass am 19. August 1989 der 27-jährige weiße Polizist Mark McPhail während seiner Nachtschicht erschossen wurde, als er einem Obdachlosen zu Hilfe kam, der von einem Mann mit Pistole bedroht wurde. Eine Tatwaffe wurde nicht gefunden. Augenzeugen sagten aus, Davis am Tatort gesehen zu haben. Doch der damals 22-Jährige beteuerte stets, zu dem Zeitpunkt gar nicht an dem besagten Ort gewesen zu sein. Doch die Zeugenaussagen alleine reichten dem Richter für die Todesstrafe.

Im Gefängnis begann Davis gegen das seiner Meinung bestehende Fehlurteil zu kämpfen. Immer wieder beantragte er Wiederaufnahmen seines Verfahrens. Immer wieder schaffen es seine Anwälte, die Hinrichtung Davis’ in letzter Minute zu verhindern. Zuletzt hob der Oberste Gerichtshof der USA einen Hinrichtungstermin auf, um den Fall neu zu untersuchen.

Carter kämpfte für Davis

Der Fall erregte auch die Aufmerksamkeit zahlreicher Persönlichkeiten, darunter Carter, Benedikt XVI., Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu und mehr als 50 US-Abgeordnete. Weltweit unterzeichneten nach Angaben von Unterstützern rund eine Million Menschen ein Begnadigungsgesuch für Davis. Unter dem Druck der Öffentlichkeit hielt im Juni 2010 die US-Justiz eine Anhörung ab, in deren Verlauf der Fall erneut aufgerollt werden sollte.

Die Crux daran war, dass es an Davis und seinen Anwälten lag, seine Unschuld zu beweisen - unmöglich nach 20 Jahren und ohne physische Beweise. Die einzige Möglichkeit für die Verteidigung war also, die Zeugen aufzurufen, die bei Troys ursprünglicher Verurteilung gegen ihn ausgesagt hatten.

Augenzeugen in Luft aufgelöst

Sieben der ursprünglich neun Augenzeugen gaben an, von der Polizei genötigt worden zu sein, und zogen ihre Aussagen zurück. Ein Zeuge ist psychisch schwer krank. Übrig blieb Sylvester Coles: Er stand ursprünglich selbst unter Mordverdacht und hatte somit wenig Interesse, seine Aussage zu revidieren. Er erschien auch nicht zu dem Termin vor Gericht. Aus Ermangelung „wasserdichter“ Beweise für seine Unschuld blieb Davis damit in der Todeszelle.

Nach diesem Urteil war die Empörung groß. Amnesty International fragte öffentlich: „Wenn der Fall gegen einen Verurteilten nicht ‚wasserdicht‘ ist, sollte diese Tatsache nicht denjenigen zu denken geben, die die Hinrichtung dieser Person fordern?“

Demonstration gegen Exekution von Troy Davis

AP/David Tulis

Demonstration für Davis’ Begnadigung

Ashton forderte Begnadigung

Im März 2011 entschied der Supreme Court, dass alle Rechtsmittel ausgeschöpft seien, und legte den Exekutionstermin für die Woche vom 21. bis zum 28. September fest. Unmittelbar vor dem Termin ging noch einmal ein Ruck durch die Unterstützergruppen. Ex-Präsident Carter und seine Frau Rosalyn traten im TV-Sender Fox auf, wo sie sich noch einmal nachdrücklich für Davis starkmachten. „Ich habe dem Begnadigungsausschuss einen Brief geschrieben, nachdem der Gouverneur dafür nicht zuständig ist. Wir hoffen, sie kehren das Urteil um.“

Am Montag sprach sich auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton für Davis’ Begnadigung aus. Es habe stets Zweifel an den Beweisen gegeben, aufgrund derer Davis verurteilt wurde, so Ashton. Im Falle der Todesstrafe bedeute ein Fehler, den kein Rechtssystem ausschließen könne, den unwiederbringlichen Verlust unschuldigen Lebens. Allein in den letzten 72 Stunden unterzeichneten 200.000 Menschen eine Petition.

Hinrichtung mit Giftspritze

Auch der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, appellierte an die US-Behörden, von der Hinrichtung des Mannes abzusehen. „Der Grund ist nicht nur unsere Ablehnung der Todesstrafe, sondern zuerst die ernsten Zweifel an der Lauterkeit des Urteils“, sagt der ehemalige norwegische Regierungschef am Dienstagabend laut einer Aussendung.

Der Begnadigungsausschuss war die letzte Chance für Davis. Er hätte die Möglichkeit gehabt, sein Todesurteil in eine lebenslange Haftstrafe umzuwandeln. Wie schon 2008 lehnte der fünfköpfige Ausschuss aber erneut das Ansuchen ab. Davis soll am Mittwoch mittels Giftspritze hingerichtet werden.

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