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Wilde Spekulationen über dunkle Mächte

Wie konnten 19 Islamisten nur mit Messern und Pfefferspray bewaffnet ein Inferno auslösen und die USA in die Knie zwingen? Auch heute, zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001, ist das Szenario einfach unvorstellbar - so unvorstellbar, dass viele die offiziellen Erklärungen nicht glauben können oder wollen. Verschwörungstheorien liefern wilde Spekulationen über dunkle Mächte, ein Komplott der Geheimdienste oder Intrigen der US-Regierung.

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Schon Stunden nach den Anschlägen waren in Internetforen die ersten Spekulationen und Gerüchte aufgetaucht. Warum stürzten die Twin Towers nach so kurzer Zeit ein? Was passierte wirklich mit Flug 93 der United Airlines, der in Pennsylvania abstürzte? Und warum stürzte Komplex sieben des World Trade Center ein, ohne von den Anschlägen direkt getroffen worden zu sein?

Unbegreifliches wird begreifbar

Vor allem in Internet wucherten die Verschwörungstheorien. Tausende Websites wie 911truth.org widmen sich den Fragen, was „wirklich“ geschehen sein soll. Bücher zu dem Thema haben gerade jetzt wieder Hochkonjunktur, doch schon in den vergangenen Jahren verkauften sie sich blendend. Und Filmdokumentationen erreichen Millionen Zugriffe auf Plattformen wie YouTube.

Der Nutzen von Verschwörungstheorien ist einfach: Mit ihnen wird das Unbegreifliche begreifbar, komplexe Zusammenhänge werden einfach. Genauso wie die unfassbaren Anschläge lässt sich so auch erklären, wie ein einzelner Mann mit Präsident John F. Kennedy den am besten bewachten Mann der Erde töten konnte und wie ausgerechnet Prinzessin Diana bei einem Autounfall sterben konnte.

In sich geschlossene Logik

Mit Argumenten ist es schwierig, den Theorien beizukommen: Sie sind meist Zirkelschlüsse ihrer eigenen Logik - und in dieser kaum widerlegbar: Offizielle Untersuchungsergebnisse werden von Verschwörungstheoretikern nicht anerkannt, schließlich stammen sie ja von der Politik und den Behörden, die aus ihrer Sichtweise die Öffentlichkeit hinters Licht führen wollen. Andererseits wird auf anderen Websites wie debunking911.com versucht, den Theorien mit wissenschaftlichen Methoden entgegenzutreten - mit wechselndem Erfolg.

Offenbar ist es so, dass Verschwörungstheorien besonders bei jenen Menschen beliebt sind, die selbst bei einer Verschwörung mitmachen würden, so britische Forscher - mehr dazu in science.ORF.at.

Politisch instrumentalisiert

Und meist weisen Verschwörungstheorien auch einen eindeutigen Schuldigen aus, und hier geht es zumeist auch um politische Interessen. Dass die US-Regierung selbst die Anschläge inszeniert und die Twin Towers gesprengt hat, wird nicht zufällig auch von der extremen Rechten in den USA vertreten: Sie kämpft seit Jahrzehnten gegen die angeblich übermächtige Zentralregierung, die Feds, die den Menschen die Freiheit rauben wolle. Zumeist mischen sich auch antisemitische Töne in die Vermutungen, Israel habe sicherlich auch seine Finger im Spiel gehabt.

TV-Hinweis

Im Rahmen des Programmschwerpunkts „9/11 – 10 Jahre danach“ zeigt der ORF ab 3. September Filme, Dokumentationen und Magazine über die Terroranschläge. ORF2 beleuchtet in einer ZIB-Sondersendung am Sonntag um 14.20 Uhr die Folgen von 9/11 für die Vereinigten Staaten und die Weltpolitik – mehr dazu in tv.ORF.at.

Doch auch aus anderer politischer Richtung kann die Verschwörung gedeutet und erklärt werden - etwa aus einer antiamerikanischen Position: Die „imperialistische“ Weltpolizei habe nur einen Vorwand gebraucht, islamischen Ländern den Krieg zu erklären. Prominentester Vertreter einer solchen Ansicht ist der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der damit im Vorjahr für einen Eklat in der UNO-Vollversammlung sorgte: Die USA hätten die Angriffe auf das World Trade Center in New York inszeniert, um das „zionistische Regime“ - gemeint ist Israel - zu retten und den Verfall der amerikanischen Wirtschaft zu stoppen, so Ahmadinedschad damals.

Weit verbreitet

Doch die Ansichten sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen: Eine heuer im Auftrag der BBC durchgeführte Umfrage ergab, dass in Großbritannien 14 Prozent die offizielle Darstellung, wonach Al-Kaida für die Anschläge verantwortlich ist, nicht glauben. in den USA sind es demnach 15 Prozent. Unter den 16- bis 24-Jährigen sind es sogar etwa ein Viertel, die nicht an die Tat von Islamisten glauben. Genauso viele waren es 2008 bei einer Umfrage in Deutschland.

Eine vor drei Jahren durchgeführte WorldPublicOpinion-Umfrage mit mehr als 16.000 Teilnehmern zeigte, dass nur in neun von 17 Ländern eine Mehrheit davon überzeugt war, dass Al-Kaida die Anschläge verübte. Vor allem im Nahen Osten machten viele Befragte die USA oder Israel für die Anschläge verantwortlich. In Jordanien glauben laut einer neuen Umfrage des PEW-Instituts nur noch 22 Prozent, dass die Terroristen Araber waren. Vor fünf Jahren waren es fast doppelt so viele. In Pakistan sind es zwölf und in der Türkei gar nur neun Prozent.

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