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US-Regierung will Firmen zurücklocken

„Made in China“ ist eine Bezeichnung, die, so scheint es, nahezu auf jedem Elektronikgerät zu finden ist. Jahrzehntelang betrieben die großen US-Hersteller eine Politik des Outsourcings und lagerten ihre Produktionen vor allem nach Asien, und dort vorrangig nach China aus. Dass der US-Wirtschaft damit eine Menge Jobs entgehen, ist nicht neu. Experten warnen jedoch auch vor einem immensen Know-how-Verlust.

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Die 500 größten börsennotierten Unternehmen der USA zahlen mittlerweile mehr Steuern im Ausland als im Inland, stellte kürzlich Howard Silverblatt, Analyst bei Standard & Poor’s (S&P), fest. Seinen Berechnungen zufolge überwiesen die Unternehmen im vergangenen Jahr insgesamt 117,3 Milliarden Dollar an fremde Staaten, aber nur 101,7 Milliarden Dollar nach Washington. „Offenbar waren Jobs nicht das einzige wichtige Exportgut des Jahres 2010.“

Jenseits der Grenzen versprechen sie sich neue Märkte oder schlicht billigere Arbeitskräfte. Die Multis strichen seit dem Jahr 2000 in der Heimat 2,9 Millionen Stellen, während sie im Ausland 2,4 Millionen neue Jobs geschaffen haben. Das geht aus Daten des US-Handelsministeriums hervor, die das „Wall Street Journal“ („WSJ“) aufbereitet hat. Vor allem die eigentliche Herstellung der Produkte wandert ab - in der Regel nach Asien.

Kettenreaktion: Am Ende steht Innovationslosigkeit

Jahrzehnte des Outsourcings von Fertigungen nahmen der US-Industrie die Möglichkeiten zur Entwicklung neuer Hightech-Produkte, konstatierten laut „Forbes“ die Wirtschaftsexperten Gary Pisano und Willy Shih bereits 2009 in einem Aufsatz im „Harvard Business Review“. Die Auslagerung von Produktionen löse eine „Kettenreaktion“ aus.

Sobald die Produktion outgesourct sei, könne auch die Expertise über Verfahrenstechnik nicht aufrechterhalten bleiben, da diese abhängig ist von den täglichen Interaktionen mit dem Herstellungsprozess. In weiterer Folge sei es für Unternehmen schwierig, vertiefende Forschung für die Weiterentwicklung eines Produkts zu betreiben. Damit könnten auch keine neuen Produkte entwickelt werden - was die Wirtschaft in weiterer Folge aus langer Sicht verhindere, Innovationen zu entwickeln. Den Amerikanern bliebe letztlich nur noch die Logistik, der Verkauf und das Marketing.

Kindle kann nicht in USA produziert werden

Am Beispiel des E-Book-Readers Kindle zeigt „Forbes“, wie weit dieser Know-how-Verlust bereits fortgeschritten ist: Selbst wenn Hersteller Amazon wollte, könnte der Kindle nicht in den USA produziert werden, so das Magazin. Die Displayproduktion und das damit verbundene Know-how sei nach Taiwan ausgelagert worden, die US-Hersteller der Schaltkreis-Konnektoren und des Gehäuses produzieren mittlerweile in China. Und auch der Lithium-Polymer-Akku wird aus China angeliefert.

In einem Interview mit der „New York Times“ („NYT“) sagte Pisano, dass die Halbleiter-Industrie ein breites Umfeld brauche, in das Beteiligte aus Universitäten, Unternehmen sowie der Regierung eingebunden seien. Fielen davon entscheidende Teile wie Fabriken und Materialzulieferer weg, leide die Vitalität der Branche darunter. Erst verließen die Fabriken das Land, ihnen folgten dann die Forscher und Ingenieure.

Regierung investiert in Batterie-Technologiesektor

Das hat mittlerweile auch die Regierung zum Handeln gezwungen: In Erwartung eines Elektro-Auto-Booms investierte Obama in den letzten beiden Jahren 2,5 Milliarden Dollar in den Batterietechnologiesektor, so die „NYT“. Die Finanzspritze zeigt langsam Wirkung: A123, ein großer US-Hersteller von Lithium-Ionen-Zellen, ließ seine Akkus in den vergangenen Jahren in Korea und China produzieren. Das soll sich nun ändern. A123-Chef Jason Forcier sagte gegenüber der „NYT“, das Unternehmen sei quasi gezwungen gewesen, in Asien zu produzieren. „Dort war die Versorgungskette. Dort war das Know-how - in den USA war es nicht existent.“

Die Produktion in die USA zurückzuholen, ist deshalb nicht einfach: Man habe eine Firma in Korea gekauft, die die nötige Technologie für diese Art von Akkus und außerdem einen ausgestalteten Produktionsprozess habe. Das Unternehmen wurde „exakt“ kopiert und vergrößert, so Forcier. Außerdem habe man auch ein Team von sechs koreanischen Ingenieuren mitgebracht. Der Schritt zurück in die USA würde dem Unternehmen nicht nur qualifizierte Arbeiter bringen, sondern auch Betriebskosten schaffen, die mit jenen im Ausland konkurrieren könnten. Denn nur etwa fünf bis zehn Prozent der Kosten für Akkuzellen seien Personalkosten, den Großteil machten Materialkosten aus.

Produktion als „riesiger Jobmotor“

Für die US-Regierung besteht freilich noch ein weiterer, schlagkräftiger Grund, Anreize für Unternehmen zu schaffen, die ihre Produktionen wieder nach Hause holen: Produktionsfirmen schaffen viele Jobs, die angesichts hoher Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Unsicherheit dringend nötig sind. „Wenn etwas hergestellt wird, selbst wenn die Arbeit mit Hilfe von Robotern gemacht wird, ist dabei eine unglaubliche Wertschöpfungskette involviert“, erklärt Susan Hockfield, Präsidentin des Massachusetts Institute for Technology (MIT) gegenüber der „NYT“. Produktion sei „einfach ein riesiger Jobmotor“. Manchen Schätzungen zufolge beschäftige der Produktionsbereich 65 Prozent aller amerikanischen Forscher und Ingenieure.

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