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Dem Futurismus auf der Spur

Wer sich heute für ein Motorrad entscheidet, sieht sich einer beinahe zweigeteilten Welt gegenüber. Soll es eher retro sein oder doch futuristisch? Immer mehr Motorräder kommen jedenfalls auf den Markt, die so aussehen, als könnte man damit gleich im nächsten Science-Fiction-Film durchstarten.

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Filme wie Tim Burtons „Batman“, die „Transformer“-Serie und „Tron: Legacy“ scheinen auch an Designern von Motorrädern nicht spurlos vorüberzugehen. Auch wenn in „Tron: Legacy“ eher ausgewachsene Chopper mit Frontliegeposition zu sehen sind, so etwas wie „genetisch“ überzüchtete Motorräder, sind die Vorstellungswelten von Science-Fiction und Computerspielen aus der Entwicklung aktueller Motorräder nicht wegzudenken.

Filmszene

Disney Enterprises

Gasfuß mit breiten Reifen: Chopper-Fahren im Film „Tron: Legacy“

Die eben von Suzuki vorgestellte GSR 750 ist eines der vielen Bikes, die alles andere als Chrom und geschwungene Bauteile in den Blick rücken. Alles scheint eckig und an die Hautschuppen von Reptilien angelehnt bei diesen Motorrädern, als seien sie für den Straßennahkampf gepanzert. „Zähne fletschen im Streichelzoo“ titelte die „Süddeutsche Zeitung“ jüngst bei ihrem Bericht über diese Maschine. Kawasaki, KTM, auch Yamaha und Co. setzen auf ähnlich kantige Effekte.

Suzuki GSR 750

Suzuki

Motorräder werden immer mehr zur Verwirklichung futuristischer Formträume (im Bild: GSR 750 von Suzuki)

Dennoch: Einen dominanten Stil im Motorraddesign will man seitens der Hersteller zurzeit nicht ausmachen. Für den Chefdesigner von KTM, Gerald Kiska, ist entscheidend, dass Motorradhersteller über das Design ihre Markenidentität stärken. Für KTM und Kawasaki sieht Kiska das verwirklicht. Bei Herstellern, die zu viel unterschiedliche Designvarianten anbieten, fürchtet Kiska eine Verwechselbarkeit.

Kawasaki Z1000

Kawasaki

Kantige Selbstpositionierung. Design muss auch bei Motorrädern die Marke unverkennbar machen (im Bild: Z1000 von Kawasaki)

„Anknüpfen an populäre Bildwelten“

Einflüsse der Populärkultur sind für Kiska beim Bauen von Motorrädern gar nicht vermeidbar. Und auch KTM orientiert sich hier an populären Mythen und Vorbildern. „Man setzt sich in den Entwicklungsrunden gerade auch mit dem Kunden zusammen und versucht, Entwürfe, Entwicklungen mit populären Bildwelten in Verbindung zu bringen“, so Kiska im Gespräch mit ORF.at, „auch um zu sehen, ob eine bestimmte Message oder Positionierung zum Wunsch des Kunden passt und man zu so etwas wie einem gemeinsamen Bild des Projekts gelangen kann“, so Kiska über den Weg, wie ein Motorrad und die dazugehörende Botschaft entstehen.

KTM 990 Super Duke

KTM

„Körper sind immer in Bewegung“: Ideen des Futurismus finden sich auch in geparkten Motorrädern (im Bild: Super Duke 990 von KTM)

In der Dynamik des Universums

„Einzigartige Formen der Kontinuität im Raum“, heißt eine berühmte Plastik des italienischen Futuristen Umberto Boccini aus dem Jahr 1913, die mittlerweile zu den Beständen des Metropolitan Museum of Modern Art in New York zählt.

Umberto Boccinis Bronzeskulptur "Einzigartige Formen der Kontinuität im Raum" aus dem Jahr 1913

MoMA

Auch ruhende Körper strahlen Bewegung aus: Umberto-Boccini-Skulptur aus dem Jahr 1913

Für Boccini, den Zeitgenossen Marinettis und Mitunterzeichner des futuristischen Manifests, erzeugt ein ruhender Körper dieselbe dynamische Wirkung wie ein Körper, der sich in Bewegung befindet - im Grunde, so der Künstler, unterliege alles der Dynamik des Universums.

Das Motorrad als „wildes Tier“

„Ein schönes Motorrad ist wie ein wildes Tier“, umschrieb Damien Basset, der für Ducati zahlreiche Modelle des Streetfighter zeichnete, bevor er zurück nach England wechselte, die Wirkung, die auch von einem ruhenden Zweirad ausgehen müsse. Auch Kiska findet, dass ein geparktes Motorrad Dynamik und Bewegung ausstrahlen muss. „Aber es gibt Designer wie Philipp Starck, die vom Gegenteil überzeugt sind“, so Kiska.

Was für Motorräder auf keinen Fall angesagt ist: Design, das auf Frauen zugeschnitten ist. Motorradfahrerinnen, so Kiska, würden allergisch darauf reagieren, wenn man ihnen so etwas wie „weibliches Design“ anböte. Man könne über formale Elemente beim Motorrad, die Sitzhöhe und ähnliche Dinge, den Bedürfnissen von Frauen entgegenkommen, „aber sicher nicht über Designelemente“.

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