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Gepanzerter Konvoi an der Grenze

Neue Gerüchte über den Verbleib des gestürzten libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi haben am Samstag die Runde gemacht. Ein Konvoi aus sechs gepanzerten Limousinen habe am Freitag die libysch-algerische Grenze bei Ghadamis überquert, berichtete die ägyptische Nachrichtenagentur MENA unter Berufung auf libysche Rebellen.

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„Wir glauben, dass hochrangige libysche Regierungsbeamte in diesen Fahrzeugen waren, möglicherweise Gaddafi und seine Söhne“, sagte die Gewährsperson. Schon seit längerem wird darüber spekuliert, dass das Nachbarland Algerien dem langjährigen libyschen Machthaber Exil gewähren könnte. Algier hat die libysche Rebellenregierung bisher nicht anerkannt, die Spekulationen über Gaddafi in Algerien jedoch „kategorisch“ zurückgewiesen. „Diese Information entbehrt jeglicher Grundlage“, hieß es aus dem algerischen Außenministerium.

Gaddafi ist seit der Einnahme seiner Residenz Bab al-Asisija am Dienstag verschwunden. Er meldete sich jedoch in mehreren Audiobotschaften zu Wort und rief seine Anhänger auf, den Kampf gegen die Rebellen fortzusetzen. Zugleich schloss er aus, seiner Heimat den Rücken zu kehren.

Suche auch in Tripolis

Andere Rebellenvertreter erklärten, sie gingen davon aus, dass sich Gaddafi immer noch im Gebiet Abu Salim im Süden der Hauptstadt aufhält. Dort war es in den vergangenen Tagen zu Gefechten mit Gaddafi-treuen Kräften gekommen. Rebellen hatten in dieser Woche schon einmal verkündet, sie hätten Gaddafi eingekreist. Diese Berichte stellten sich später jedoch als falsch oder voreilig heraus.

Konzentration auf Sirte

Unterdessen konzentrierten sich die Kämpfe zwischen Aufständischen und Truppen, die Gaddafi treu blieben, auf die beiden verbliebenen Hochburgen des alten Regimes, Gaddafis Heimatstadt Sirte sowie die Wüstenstadt Seba im Zentrum des Landes. Auch die NATO verstärkte ihre Einsätze auf die Geburtsstadt Gaddafis. Dabei seien 15 Militärfahrzeuge und weitere Ziele beschossen worden, teilte das Verteidigungsbündnis in Brüssel mit. Elf mit Waffen beladene Fahrzeuge sowie drei militärische Logistikfahrzeuge und ein gepanzertes Kampffahrzeug seien zerstört worden.

Kämpfe in Tripolis flauen ab

Dagegen flauten die Kämpfe in Tripolis nach deutlich ab. In der Nacht auf Samstag waren vereinzelt Explosionen und Schusswechsel zu hören gewesen. Rebellenkommandant Abdel Nagib Mlegta erklärte Freitagabend, seine Männer würden 95 Prozent der Hauptstadt Tripolis kontrollierten.

Der Chef der libyschen Übergangsregierung, Mahmud Dschibril, erklärte, die Aufständischen hätten inzwischen fast im ganzen Land die Oberhand. Nur Seba, Sirte und das südöstlich von Tripolis gelegene Bani Walid seien noch nicht unter Kontrolle, sagte er nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu in Ankara. Ziel sei es, die Städte ohne Blutvergießen einzunehmen.

Wichtiger Grenzposten eingenommen

Die Rebellen nahmen am Freitag auch den Kontrollposten Ras Dschedir an der Grenze zu Tunesien ein. Nach Angaben aus tunesischen Regierungskreisen wehte am Abend die Flagge der Rebellion über dem Kontrollposten. Der Einnahme seien unmittelbar keine Kämpfe vorausgegangen. Ein Vertreter des Nationalen Übergangsrates der libyschen Rebellen sagte dem tunesischen Fernsehen, die Kämpfer Gaddafis hätten sich ergeben.

Ein Vertreter einer Hilfsorganisation an Ort und Stelle bestätigte die Einnahme des Grenzpostens, der für die mit Sanktionen belegte libysche Regierung Gaddafis strategisch wichtig ist. Über den Grenzübergang waren in der vergangenen Monaten Tausende Menschen nach Tunesien geflohen.

Übergangsregierung will Gaddafi-Gelder

Dschibril bemüht sich derzeit darum, eingefrorene Guthaben des Gaddafi-Regimes in Europa loszueisen. Für die Freigabe der Gelder gibt es nach EU-Angaben aber noch kein Datum. Auf Druck der USA hatten die Vereinten Nationen (UNO) die Freigabe von 1,5 Milliarden Dollar (rund einer Milliarde Euro) aus dem eingefrorenen Auslandsvermögen beschlossen.

Die Afrikanische Union (AU) lehnte eine gesonderte Anerkennung der Rebellenregierung durch die Organisation ab. Stattdessen sprach sich die AU auf einem Gipfeltreffen in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba für eine breit gefasste „Übergangsregierung unter Einschluss aller Parteien“ aus.

Gaddafi-Anhänger sollen integriert werden

Der stellvertretende Chef der libyschen Übergangsregierung, Ali al-Tarhuni, will indes Anhänger des Gaddafi-Regimes in den künftigen Staat integrieren. „Wir werden 90 Prozent der Polizisten behalten“, sagte Tarhuni der „Süddeutschen Zeitung“ und dem „Tagesspiegel“ (Samstag-Ausgaben). „Verhandlungen darüber laufen schon“, sagte Tarhuni. Um die Fehler nach dem Machtwechsel im Irak zu vermeiden, würden nur jene Sicherheitsleute entlassen, die „Blut an den Händen“ hätten.

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