Mächtige Rollenklischees am Arbeitsplatz
Schafft man es im Job wirklich nur mit Egoismus und Rücksichtslosigkeit nach oben? Die Erfahrungen, die von vielen Menschen auf ihrem Arbeitsplatz gemacht werden, haben US-Wissenschaftler nun mit Studien belegt. Liebenswürdigkeit ist demnach einem höheren Gehalt eher abträglich. Und das gilt besonders für Männer.
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Forscher der US-Universitäten Notre Dame in Indiana und Cornell in New York sowie der kanadischen University of Western Ontario haben in vier Studien mit insgesamt über 10.000 Teilnehmern belegt, dass Freundlichkeit im Beruf offenbar nicht der Schlüssel zur Erfolgskarriere ist.
18 Prozent Gehaltsunterschied
Demnach verdienen unfreundliche Männer um durchschnittlich 18 Prozent mehr als freundliche, bei Frauen beträgt der Unterschied hingegen nur fünf Prozent. Wenig überraschend verdienen sie jedoch - egal wie sozial verträglich sie agieren - weniger als Männer. „Nette Typen haben das Nachsehen“, fasst Mitautorin Beth A. Livingston von der Cornell University die Ergebnisse der Studie „Do Nice Guys - and Gals - Really Finish Last?“ zusammen.
Das Problem sei zudem, dass viele Manager gar nicht wahrnehmen würden, dass sie unfreundliches Verhalten ihrer Angestellten belohnen. In der Studie wird aber eingeräumt, dass Unfreundlichkeit keineswegs permanente Rüpelhaftigkeit oder Beleidigung von Arbeitskollegen bedeute. Es gehe eher darum, wie viel Wert auf den Umgang miteinander gelegt werde.
Strafe für „falsches“ männliches Verhalten
Bei der Studie spielen weder Alter noch Jobbranche noch Komplexität der Arbeit eine Rolle. Die Forscher erklären die Ergebnisse vor allem damit, dass unfreundliche Angestellte dem Wert Geld mehr Bedeutung zumessen. Ihr Harmoniebedürfnis sei viel weniger ausgeprägt, Sie würden daher bei Gehaltsverhandlungen ungeachtet der sozialen Beziehung härter vorgehen.
Umgekehrt würden freundliche Menschen andere Prioritäten setzen, sich eher in sozialen Beziehungen engagieren und weniger Wert auf Karriere legen. Dass die Unterschiede vor allem bei Männern so groß ausfallen, erklären die Forscher damit, dass noch immer Geschlechterklischees das Arbeitsleben bestimmen: Wenn Männer Gemeinschaftssinn zeigen, können sie den „Erwartungen männlichen Verhaltens“ zuwiderlaufen, heißt es in der Studie. Anders gesagt: Wenn Männer nicht die Rollenklischees von Ehrgeiz und Konkurrenzdenken an den Tag legen, wird ihnen leicht auch Kompetenz abgesprochen, Aufstieg im Betrieb und höheres Gehalt rücken in weitere Ferne.
Drei Studien, dieselben Ergebnisse
Die Forscher haben für ihre Ergebnisse Daten von drei statistischen Befragungen ausgewertet. Bei der ersten handelte es sich um eine 1997 begonnene Langzeitstudie mit 9.000 Befragten, die den Werdegang von Schulabsolventen bis 2008 untersuchte. 1.700 zufällig ausgewählte Vollzeitbeschäftigte wurden in einer zweiten Studie befragt. Und ebenfalls befragt wurden rund 1.700 Menschen aus Wisconsin, die 1957 die High School abgeschlossen hatten. Obwohl die Frage nach freundlichem Auftreten jeweils auf verschiedene Weise abgefragt wurde, decken sich die Ergebnisse in allen drei Fällen.
Bessere Chancen auf Jobs
Zudem führten die Forscher ein weiteres Experiment durch. 460 Wirtschaftsstudenten sollten aufgrund kurzer Personenbeschreibungen entscheiden, welche Kandidaten sie für einen Job einstellen würden. Die Qualifikation der fiktiven Personen wurde in dem Text jeweils ähnlich geschildert, ein Satz charakterisierte die Figuren schließlich als sozial eher umgänglich oder nicht. Der Name identifizierte sie als männlich oder weiblich.
Auch hier waren die Ergebnisse eindeutig. Freundlich wirkende Männer wurden deutlich weniger oft „eingestellt“ als unfreundliche. Bei Frauen, die generell deutlich weniger oft auserwählt wurden, war auch hier die Diskrepanz durch die Charaktereigenschaften weit weniger groß.
Freundliche Menschen sind zufriedener
Selbstkritisch merken die Wissenschaftler an, dass die Mechanismen hinter den Ergebnissen sicherlich noch zu erforschen seien. Auch blieben Fragen offen, ob ein gesellschaftlicher Wandel sich auch in der Wirtschaft niederschlagen würde: Die erhobenen Daten reichen über einen Zeitraum von fast 20 Jahren, ohne dass größere Unterschiede ersichtlich wären. Das „Wall Street Journal“ berichtet von einigen Unternehmen, die ganz bewusst die Strategie verfolgen, Personen mit übertriebener Ellbogenmentalität nicht einzustellen.
Und auch die Forscher haben für freundliche Zeitgenossen gute Nachrichten parat: Demnach sind sie generell mit ihrem Leben zufriedener, leiden weniger unter Stress, leisten eher etwas für lokale Gemeinschaften und haben ein stabileres Netzwerk an Freunden. Zudem würden sie bei Entlassungen seltener gefeuert - allerdings erweise sich genau das nicht unbedingt als Vorteil: Die Unfreundlichen würden es demnach schaffen, in neuen Jobs mehr zu verdienen.
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