„Adios, OPEC“
Seit rund einem halben Jahrhundert dominiert die Ölförderung in Nahost die weltweite Energiepolitik. Laut dem US-Nachrichtenmagazin „Foreign Policy“ („FP“) mehren sich allerdings die Anzeichen für ein Ende der Goldenen Ära für Saudi-Arabien, Kuwait und Co. Bereits ab 2020 könnte die Führungsrolle demnach von den USA, Kanada und Lateinamerika eingenommen werden.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Außer Frage stehe demnach, dass die energiepolitische Kräfteverteilung sich im Wandel befindet, wie das Magazin in einer mit „Adios, OPEC“ betitelten Analyse feststellt. Grund dafür seien neben den zur Neige gehenden Vorkommen in Nahost zunehmend ausgereifte Technologien, mit denen nun auch auf weit schwerer zugängliche Ölvorkommen zugegriffen werden kann.
Und genau in diesem Punkt liegt der Kernpunkt der „FP“-These, denn allein die in den USA geschätzten Vorkommen übersteigen mit zwei Billionen Barrel bereits die konventionellen und leicht förderbaren Ölreserven in Nahost und Nordafrika (laut „FP“ 1,2 Billionen Barrel, Anm.) deutlich. Dazu kommen 2,4 bzw. zwei Billionen Barrel, die in Kanada bzw. Südamerika in Schiefergestein, Ölsand und in der Tiefsee vermutet werden.
US-Gasförderung massiv angestiegen
Bisher stößt der Zugriff auf Amerikas Ölschätze weiter aber nicht nur auf technische, sondern vor allem politische Hürden. Zuletzt zeigte etwa die Ölpest im Golf von Mexiko, dass der Zugriff auf die Vorkommen in der Tiefsee auch mit schwerwiegenden Risiken verbunden ist. Auch in der Debatte über die Ölsandvorkommen im Norden Amerikas bleiben Umweltbedenken nach wie vor ein zentrales Hindernis.
Ungeachtet dessen erlebt der Zugriff auf schwer förderbare Öl- und Gasreserven bereits seit rund zehn Jahren einen wahren Boom. In weniger als einer Dekade stieg etwa in den USA die Eigenversorgung mit Gas von „virtuell nichts“ auf 15 bis zwanzig Prozent. Dank Schiefergas & Co. könnten die USA bereits 2040 weit mehr als die Hälfte des Gasbedarfs aus heimischen Quellen speisen. Dank dieser Entwicklung ändere sich laut „FP“ auch Grundsätzliches in der US-Energiepolitik: Dominierte bisher die Frage, wie der Energiehunger des Landes gestillt werden könne, gehe es künftig darum, potenzielle Käufer für den eigenen Überschuss zu finden.
Einen Zugang zu Amerikas Ölreichtum versucht sich unterdessen auch China zu verschaffen, das bereits Milliarden in den Ölsektor in den USA, Kanada und Lateinamerika investierte.
Comeback der Öltürme in Texas
Goldene Zeiten sehen Experten etwa auf die Ölindustrie in den Great Plains und im US-Bundesstaat Texas zukommen, wo nach zwei Dekaden Rückgang künftig bis zu 1,5 Millionen Barrel pro Tag und damit acht Prozent des aktuellen US-Verbrauchs gefördert werden könnten. Ungeachtet des Rückschlags durch die Ölpest im Jahr 2010 wird auch im Golf von Mexiko mit zusätzlichen ein bis zwei Mio. Barrel pro Tag ein massiver Anstieg der Ölförderung erwartet.
Doch nicht nur in den USA, auch in Kanada und in Südamerika zeige sich ein ähnliches Bild. Demnach wird etwa in Brasilien bereits massiv in Tiefseebohrungen investiert und eine Tagesförderung von zwei Mio. Barrel angestrebt. Das Potenzial zur Ölgroßmacht habe ebenfalls Kanada, wo künftig bis zu sieben Mio. Barrel pro Tag zusätzlich aus den riesigen Ölsandvorkommen gefördert werden könnten.
Stillstand in Nahost?
Laut dem jährlichen Statistikbericht der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) verfügt zudem Venezuela über Ölvorkommen in Höhe von 296,5 Mrd. Barrel. Überholt wurde damit, zumindest was die geschätzten Ölvorkommen betrifft, mit Saudi-Arabien (264,5 Mrd. Barrel) der bisherige Spitzenreiter. Mit 21 Mio. Barrel pro Tag versorgen die arabischen Ölstaaten derzeit noch rund ein Viertel der weltweiten Nachfrage.
Etliche Ölstaaten haben „FP“ zufolge ihren Zenit offenbar schon überschritten. Genannt wurde etwa Libyen, wo die Ölproduktion angesichts eines laufenden Bürgerkriegs derzeit stillsteht. Mit zwei Mio. Barrel pro Tag war allerdings bereits zuvor die Förderquote deutlich niedriger als zu Zeiten des 1969 gestürzten König Idris. Auch im Iran kam es nach der Islamischen Revolution (1979) zu einem deutlichen Rückgang der Ölforderung. Auch der Irak ist noch weit von den Förderquoten zur Zeit der Machtübernahme von Saddam Hussein entfernt. Erinnert wird zudem daran, dass die verbleibenden Regime nicht zuletzt dank des bisher schier endlosen Zugriffs auf Petrodollars ihre Macht erhalten konnten.
Links: