„Kimberley-Prozess“ in Gefahr
Es war eine höchst umstrittene Entscheidung: Die aus zwei Minen im Marange-Gebiet im Osten Simbabwes gewonnenen Diamanten dürften nach jahrelangem Verbot wieder verkauft werden, verkündete Mathieu Yamba, Chef des „Kimberley-Prozesses“ zur Bekämpfung des illegalen Diamantenhandels Ende Juni.
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Üblicherweise werden Entscheidungen des „Kimberley-Prozesses“, an dem Regierungen, die Diamantenindustrie und zivilgesellschaftliche Gruppen teilnehmen, im Konsens getroffen. Doch davon konnte diesmal keine Rede sein: Vertreter der Zivilgesellschaft verließen erbost die Sitzung, westliche Staaten distanzierten sich von der Entscheidung. Experten sehen nun den „Kimberley-Prozess“ insgesamt in Gefahr.
Sanktionsliste gegen „Blutdiamanten“
Der Handel mit Diamanten aus den Minen des Marange-Gebiets war 2009 durch den Kimberley-Prozess, der mit staatlichen Herkunftszertifikaten den Markt für „Blutdiamanten“ austrocknen will, untersagt worden. Mit den berüchtigten Edelsteinen finanzierten vor allem in Afrika Kriegsherren und korrupte Regenten Bürgerkriege und ihren pompösen Lebensstil - so auch in Simbabwe.
Zwangsarbeit in Minen
Im Jahr 2008 übernahm das simbabwische Militär gewaltsam die Kontrolle über die Minen, die als die wertvollsten gelten, die im vergangenen Jahrzehnt in afrikanischem Boden entdeckt wurden. Laut Menschenrechtlern wurden in der Folge rund 200 Menschen in der Region getötet, die Soldaten sollen zudem Bewohner der Gegend vergewaltigt, geschlagen und zur Arbeit in den Minen gezwungen haben.
Enorme Vorkommen
Trotz des Handelsverbots wurden der Abbau der Edelsteine in den Minen durch zwei Unternehmen mit wechselnden Besitzern weiterbetrieben. Inzwischen soll Simbabwe über einen Diamantenvorrat im Wert von fünf Mrd. Dollar (rund 3,5 Mrd. Euro) verfügen. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt des unter der jahrzehntelangen Herrschaft von Staatschef Robert Mugabe verarmten Nachbarlandes von Südafrika betrug 2010 nur 7,5 Mrd. Dollar.
„Schwerwiegende Menschenrechtsverstöße“
Als der Vorsitzende des Kimberley-Prozesses, Yamba, das Ende des Exportverbots nach einer Sitzung in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa verkündete, kritisierten Vertreter der Zivilgesellschaft, die Entscheidung gefährde Menschenleben. „In den vergangenen drei Jahren hat es schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in Marange gegeben“, sagte Alfred Brownell von der Organisation Green Advocates.
Dass die Menschenrechtsaktivisten die entscheidende Sitzung verließen, war aber auch Anlass zur Kritik. „Einige Mitglieder haben offenbar kein Bewusstsein für die negativen, ich fürchte sogar katastrophalen Auswirkungen, die ihr Verhalten auf den gesamten Prozess der Diamantenverteilung haben wird“, kritisierte Avi Paz, Präsident der Internationalen Vereinigung der Diamantenbörsen. Tony Hawkins, Wirtschaftsexperte an der Universität von Simbabwe, befürchtet, dass der Kimberley-Prozess nun „langfristig verkümmern und sterben könnte“.
Boykottaufrufe aus den USA
Die Entscheidung zur Aufhebung des Exportverbots lehnten unterdessen auch westliche Länder ab. Das US-Außenministerium erklärte, bis ein Konsens gefunden worden sei, sollten keine Diamanten aus den Marange-Minen exportiert werden. Kanada erklärte, in der Frage gebe es bei weitem keine Einigkeit.
Selbst die westliche Dimantenindustrie ist - aus Furcht vor Negativschlagzeilen - nicht begeistert. Rapaport Trade, ein Fairtrade-Netzwerk des Diamantensektors zur Kontrolle des Handels mit den Edelsteinen, warnte, dass bald Diamanten aus dem Marange-Gebiet zum Verkauf angeboten würden - und riet dringend, die Finger von den Edelsteinen zu lassen.
Simbabwes Bergbauminister Obert Mpfofu dagegen jubelte. Die Exporterlaubnis sei ein „großer Fortschritt“. Die Minen könnten nun „ohne jede Kontrolle“ arbeiten.
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