Krater von vier Meter Tiefe
Der Einsturz des Regierungshochhauses in Norwegens Hauptstadt Oslo nach der Bombenexplosion am Freitag ist möglicherweise nur durch einen glücklichen Zufall verhindert worden. Der Bombenexperte der Hilfsorganisation Norsk Folkehjälp, Per Neergaard, berichtete am Donnerstag, dass der Attentäter das Auto mit mehreren hundert Kilo Sprengstoff direkt über einem Keller vor dem Haupteingang des Hochhauses parkte.
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Die Explosion riss einen Krater von vier Meter Tiefe. Das habe „sehr viel Sprengkraft nach unten gelenkt“, sagte Nergaard der Zeitung „Verdens Gang“ (Donnerstag-Ausgabe). „Das hat viele Menschenleben gerettet und noch größere Schäden am Hochhaus verhindert.“ Bei dem Bombenanschlag starben acht Menschen, darunter auch Regierungsbeamte. Der rechtsradikale Attentäter Anders Behring Breivik tötete danach auf der Insel Utöya mindestens 69 Menschen.
Wird Regierungsgebäude abgerissen?
Im Osloer Regierungsviertel sind Gebäude mit insgesamt 2.000 Büroplätzen unbrauchbar. Offen ist noch, ob das Regierungshochhaus abgerissen werden muss. Im obersten Stock hatte bisher Ministerpräsident Jens Stoltenberg seinen Arbeitsplatz. Er zog mit seinem Stab vorerst ins Verteidigungsministerium um. „Die Fachleute werden über einen Abriss entscheiden“, sagte Kirchen- und Verwaltungsministerin Rigmor Aasrud, in deren Verantwortung auch die Regierungsgebäude fallen.

APA/EPA/ÿijord/Thomas Winje
Der Eingangsbereich des Regierungsgebäudes ist vollkommen zerstört
„Man sieht das gewaltige Ausmaß der Schäden erst, wenn man ganz nah dran gewesen ist“, so Stoltenberg im TV-Sender NRK nach einem gemeinsamen Ortstermin mit König Harald. Auf die Frage, ob es schon Berechnungen der Kosten des Wiederaufbaus gebe, antwortete Stoltenberg mit Nein. Die Zeit für solche Überlegungen sei noch nicht gekommen. 13 von 18 Ministerien bekommen eine provisorische Adresse. Am Schlimmsten zerstört wurde das Öl- und Energieministerium, für das durch Öl und Gas aus der Nordsee reich gewordene Norwegen ein wichtiges Ressort. Die Kabinettssitzungen wurden in eine mittelalterliche Burg verlegt. Die Polizei gab in der Innenstadt einige Straßen um den Ort der Explosion wieder frei.
Sprengstoff aus legalen Substanzen
Die Polizei vermutet, dass Breivik Dünger zur Herstellung von Sprengsätzen benutzte. Nach Angaben von Düngemittelvertreibern kaufte der Norweger seit Anfang Mai rund sechs Tonnen Dünger ein. Auf dem Hof des Attentäters im rund 160 Kilometer von Oslo entfernt gelegenen Rena brachte die Polizei am Dienstagabend Sprengstoff zur Explosion.

Reuters/Reuters TV
Die Polizei bringt auf Breiviks Bauernhof gefundenen Sprengstoff zur Explosion
Die Chemikalien zum Bau der Bombe bestellte Breivik offenbar über das Internet unter anderem bei einer polnischen Firma, wie die polnischen Sicherheitsbehörden am Montag mitteilten. Demnach handelte es sich um legale Substanzen, die der Norweger von einer Firma in Wroclaw bezog. Auf Bitten der norwegischen Polizei wurde der Inhaber des Unternehmens befragt. Die Kontakte wurden demnach aber als rein geschäftlich eingestuft. Die polnischen Sicherheitsbehörden hoben hervor, dass der mutmaßliche Täter „wichtigere“ Käufe für die Umsetzung seiner Anschlagspläne in anderen Ländern getätigt habe.
EU: Chemikalienverkauf stärker kontrollieren
Die EU-Kommission forderte als Reaktion auf die Anschläge schärfere Kontrollen für den Verkauf von bombentauglichen Chemikalien. „Heute ist es viel zu einfach, Substanzen aufzutreiben, die auch Grundstoffe für selbst gemachte Bomben sind“, schrieb EU-Kommissarin Cecilia Malmström in einem Blogeintrag. Es handle sich um einen Vorschlag aus dem Vorjahr. Danach soll der Verkauf von Chemikalien, die für den Bau von Bomben genutzt werden können, in größeren Mengen verboten oder streng kontrolliert werden. Norwegen ist allerdings kein EU-Mitglied.
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