Sonderwünsche zum Essen
War der mutmaßliche Attentäter Anders Behring Breivik Einzeltäter oder hatte er Komplizen? Bei Polizeiverhören und vor dem Haftrichter behauptete er, dass es zwei weitere „Zellen“ mit Gleichgesinnten gebe, mit denen er zusammengewirkt habe. Laut Polizei sei er bereit, den Behörden Informationen über mögliche Mittäter zu geben, doch dafür verlange er gleich mehrere Entgegenkommen.
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„Es waren verschiedene Forderungen. Einige dieser Forderungen konnten wir ganz unmöglich erfüllen“, sagte der Sprecher der Osloer Kriminalpolizei, Paal Hjort Kraby, am Dienstagabend in der Onlineausgabe der Zeitung „Verdens Gang“ („VG“). Welche das seien, wollte Kraby nicht ausführen. Er bestätigte nur, dass es Wünsche zum Essen gegeben hatte.
Zugang zu Computer gefordert?
Unbestätigten Medienangaben zufolge soll der mutmaßliche Attentäter auch Zugang zu einem eigenen Computer mit dem von ihm verfassten, 1.500 Seiten umfassenden „Manifest“ sowie dem Onlinelexikon Wikipedia verlangt haben. Weiter hieß es, dass Breivik sich nur von ausländischen Psychiatern auf seine Zurechnungsfähigkeit untersuchen lassen wolle.

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Anwalt Lippestad möchte seinen Mandanten in eine geschlossene Anstalt einweisen lassen
Anwalt: „Er ist geisteskrank“
Dass es zu einem psychiatrischen Gutachten kommen werde, davon ist auch der Anwalt des 32-Jährigen überzeugt. Geir Lippestad sagte am Dienstag in Oslo nach Angaben der Nachrichtenagentur NTB: „Die ganze Sache deutet darauf hin, dass er geisteskrank ist.“ Sollte es zu keiner Untersuchung kommen, werde er sein Amt zurücklegen, so Lippestad. Breivik glaube, er befinde sich in einem Krieg. „Und wenn du in einem Krieg bist, kannst du Dinge wie diese machen“, erläuterte Lippestad die Sicht seines Mandanten.
Bleibt Breivik das Gefängnis erspart?
„Er hasst alle westlichen Vorstellungen und demokratischen Werte.“ Er glaube, dass ein Krieg begonnen habe, „der 60 Jahre dauern wird“, versuchte der Anwalt die Gemütslage seines Mandanten zu erklären. „Er führt diesen Krieg und ist irgendwie stolz darauf.“ Auf die Frage, ob sein Mandant Mitleid mit den Opfern habe, sagte der Anwalt: „Nein.“ Er hasse alle, die an Demokratie glaubten.
Lippestad beschrieb Breivik als „sehr kalt“. Vor dem Doppelanschlag habe er zudem Drogen genommen, um sich „stark“ zu machen und wachzuhalten. Sollte sein Mandant tatsächlich für unzurechnungsfähig erklärt werden, könne dieser „nicht in einem Gefängnis bestraft werden“.
Namen der Opfer veröffentlicht
Breivik hat bei zwei Anschlägen im Regierungsviertel in Oslo und auf der Ferieninsel Utöya mindestens 76 Menschen getötet. Die meisten davon waren Kinder, die ein Feriencamp auf Utöya besucht haben. Am Dienstag hat die Polizei damit begonnen, die Namen der Opfer im Internet zu veröffentlichen. Dabei wurden zunächst vier Menschen - drei aus Oslo und eine Person von der Insel - identifiziert und mit Namen, Alter und Wohnort bekanntgegeben.
Am Mittwoch nannte die norwegische Polizei 13 weitere Namen von Toten des Massakers, darunter auch den eines 14 Jahre alten Mädchens. Ministerpräsident Jens Stoltenberg teilte in Oslo mit, dass die norwegische Regierung Begräbniskosten für alle Getöteten übernehmen will.
Suche nach höherem Strafrahmen
Unterdessen ist in Norwegen eine Diskussion über die Höhe des Strafmaßes ausgebrochen. Die norwegische Polizei beruft sich bei ihren Ermittlungen bisher auf einen Terrorparagrafen. Bei einer Verurteilung drohen Breivik maximal 21 Jahre Haft. Vielen Norwegern erscheint das zu kurz, auch wenn die Maximalstrafe bei anhaltender Gefährlichkeit des Täters nachträglich mehrmals verlängert werden kann. Bei einer Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit könnte aber gleich von vornherein eine Höchststrafe von 30 Jahren verhängt werden. Solch ein Vorgehen wird derzeit von der norwegischen Justiz geprüft.
Breivik hatte den Bombenanschlag in Oslo und das Massaker auf der Insel Utöya mit mindestens 76 Toten damit begründet, dass er die Sozialdemokratische Partei Norwegens möglichst hart treffen wollte. Bisher sei das aber nur „eine Möglichkeit“, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Staatsanwalt Christian Hatlo. Ein Polizeisprecher sagte der Nachrichtenagentur AFP, es sei nicht ausgeschlossen, dass sich die Polizei auf weitere Tatbestände berufen werde.
Geheimdienst kannte Attentäter
Zuvor war bekanntgeworden, dass Norwegens Geheimdienst PST bereits im März auf den mutmaßlichen Attentäter wegen eines Chemikalienkaufs aufmerksam geworden war. Das bestätigte Geheimdienstchefin Janne Kristiansen am Montag im TV-Sender NRK. Breivik habe bei einem polnischen Händler für Chemikalien eine Summe von 120 Kronen (15 Euro) eingezahlt und sei deshalb auf entsprechenden Listen aufgetaucht.
Das sei aber nicht ausreichend für eine aktive Überwachung gewesen. Breivik hatte am Freitag eine 500-Kilo-Bombe im Osloer Regierungsviertel detonieren lassen, wodurch acht Menschen starben. Für die Herstellung der Bombe hatte er auf einem Hof bei Oslo sechs Tonnen Kunstdünger gelagert. Breivik hatte die Chemikalien über das Internet unter anderem bei einer Firma im polnischen Wroclaw bestellt. Wie die polnischen Sicherheitsbehörden mitteilten, handelte es sich um legale Substanzen.
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