Seit 1995 immer weniger Regen
Das Horn von Afrika ist von jeher stark von Dürren betroffen. Bei der Hungersnot in Äthiopien 1984/85 verhungerten infolge mehrerer „trockener“ Jahre mehr als eine Million Menschen. Heute herrscht nach der schlimmsten Dürre in 60 Jahren erneut Katastrophenalarm. Das Klimaphänomen der „Dürre“ bedeutet dabei nicht nur extreme Trockenheit, sondern eine Spirale gefährlicher Auswirkungen.
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Die Anfänge der Hungerkrise liegen schon einige Monate zurück, „sie begann, nachdem die Regenfälle von Oktober bis Dezember 2010 und somit auch die Ernten ausgeblieben sind“, sagte Judith Schuler vom Welternährungsprogramm (WFP). Und wenn es doch einmal Regen gab, dann kam er zu spät und war völlig unberechenbar. „In einigen Teilen Nordkenias und Südsomalias lag der Regendurchschnitt nur bei 30 Prozent von dem, was zwischen 1995 und 2010 vom Himmel kam“, so Schuler. In Ostafrika, wo die Landwirtschaft auf Regen- und Trockenzeiten ausgerichtet ist, sind solche Dürreperioden fatal.
Krankheiten, Feuer und Insektenplage
Geringere oder keine Ernte heißt Nutztierverlust. Die Tiere sterben oder geben weniger oder gar keine Milch oder Fleisch und fallen damit ihrerseits als Nahrungsquelle zunehmend aus. Zudem sind die von der Dürre geschwächten Tiere bei der folgenden Regenzeit doppelt anfällig für Krankheiten. Die Dürre zerstört den bebaubaren Boden durch Erosion und Feuersbrünste und begünstigt Insektenplagen.
Auswirkungen von „La Nina“
Wetterexperten zufolge ist das Phänomen „La Nina“ einer der Hauptauslöser. Es ist nicht das erste Mal, dass es das Wetter in verschiedenen Teilen der Welt verrückt spielen lässt, aber seit Sommer 2010 wüte „La Nina“ „ungewöhnlich stark“, sagen Meteorologen. Unter anderem intensiviert „La Nina“ die Westwinde über dem Indischen Ozean, wobei Feuchtigkeit aus Ostafrika in Richtung Indonesien und Australien getrieben wird. Das Resultat: Überflutungen in Ozeanien und Südostasien und Dürre in weiten Teilen Ostafrikas.
Bürgerkriegsland
Somalia entstand 1960 aus dem Zusammenschluss der Kolonialgebiete Britisch- und Italienisch-Somaliland. Seit dem Sturz von Diktator Siad Barre 1991 herrscht Bürgerkrieg. Große Gebiete vor allem im Süden werden von den radikalislamischen Al-Schabab-Milizen (arabisch: Jugend) kontrolliert. In dem Land leben rund zwölf Mio. Menschen, rund drei Mio. sind von Hunger bedroht.
Die Dürre trifft jedoch die ärmeren Länder doppelt: So sind der UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) zufolge zahlreiche Steigerungen der Lebensmittelpreise, die ebenfalls die ärmsten Länder am meisten trafen, auf dürrebedingt geringere Vorräte zurückzuführen. Die Getreidepreise stiegen 2007/8 und 2010/11 vor allem aufgrund klimatischer Phänomene. Dürrezeiten in „Kornkammern“ wie Russland und der Ukraine seien den meisten Preissteigerungen der letzten Jahre vorausgegangen.
Politische Wirren verschärfen Situation
Hinzu kommt, dass in Krisengebieten wie Somalia und dem Sudan landwirtschaftliche Infrastrukturen wie Bewässerungskanäle und Brunnen durch Konflikte zerstört wurden, so dass der Regen nach den Trockenzeiten oft nicht gut genutzt werden kann. Der Süden von Somalia, der noch stärker unter der Hungersnot leidet als die Nachbarländer, ist größtenteils unter der Kontrolle der Al-Schabab-Miliz. Sie hatten 2009 internationale Hilfe verboten, was die Situation zusätzlich verschärfte.
Durch die Gräueltaten der Rebellen werden auch die Migrationsmuster der Viehhirten unterbrochen, sie finden „keinen Zugang mehr zu anderen Weidegründen und Wasserquellen“, erläuterte der britische Thinktank Overseas Development Institute (ODI) auf seiner Website. Wenn die traditionell nomadischen Hirten wegen territorialer Kämpfe und neuer Grenzen keine großen Gebiete mehr durchqueren können, dann ist das Desaster programmiert.
„Katastrophe war vorhersehbar“
Die Hungerkatastrophe am Horn von Afrika sei vorhersehbar gewesen, sagte Angela Hinrichs von der FAO in Rom. „Auch wenn die schlimme Dürre im Mai und Juni nicht voraussehbar gewesen ist, haben wir schon im vergangenen November vor einer Zuspitzung der Nahrungsmittelknappheit - vor allem in Somalia - gewarnt.“ Im Süden Somalias gebe es durchaus Landwirtschaft, die man jedoch erst wieder richtig aufbauen müsse, sagte Hinrichs.
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