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„Nationale Tragödie“

Der Doppelanschlag in Oslo und auf ein Zeltlager auf der Insel Utöya mit über 90 Toten hat Norwegen mitten in den Sommerferien tief erschüttert. Die meisten Opfer waren noch Jugendliche. „Utöya war das Paradies meiner Jugend. Gestern wurde es in eine Hölle verwandelt“, sagte Ministerpräsident Jens Stoltenberg am Samstag.

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Stoltenberg sprach am Samstag von einer „nationalen Tragödie“. „Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg ist unser Land von einem Verbrechen dieses Ausmaßes getroffen worden“, sagte der Sozialdemokrat. Premier Stoltenberg und König Harald V. besuchten am Nachmittag Überlebende und Angehörige der getöteten Jugendlichen aus dem Ferienlager, die in ein naheliegendes Hotel gebracht worden waren. Stoltenberg kennt die Insel seit seiner eigenen Teenagerzeit.

Luftaufnahme der norwegischen Insel Utoya

Reuters/Lasse Tur

Blick auf die Insel Utöya

Er selbst hätte am Samstag in dem Lager eine Rede halten sollen. „Das ist ein Albtraum“, sagt der Ministerpräsident. Ihn schmerze der Angriff umso mehr, da er Utöya seit 1974 jedes Jahr besucht habe. „Ich habe dort Freude, Engagement und Sicherheit erfahren“, sagt Stoltenberg. Nun habe sich in dem Sommerlager „eine brutale Gewalt ereignet“.

TV-Ansprache des Königs

König Harald V. versuchte die geschockte Nation in einer Fernsehansprache zu beruhigen. Die Anschläge seien zwar ein „Angriff auf unsere Gesellschaft und unsere Demokratie“ gewesen, doch glaube er fest daran, dass Freiheit stärker sei als Angst und dass es weiterhin möglich sei, frei und sicher in Norwegen zu leben. „Jetzt stehen wir fest zu unseren Werten“, sagte der König, der demonstrativ der rot-grünen Regierung den Rücken stärkte. Diese leiste „hervorragende Arbeit“.

„Er schrie und jubelte“

Die Insel Utöya

Utöya liegt rund 40 Kilometer von Oslo entfernt im Tyrifjord. Die Insel ist rund 500 Meter lang und weniger als 400 Meter breit. Sie ist zum Großteil bewaldet, außerdem gibt es ein paar Wiesen und Häuser. Utöya ist ein regelmäßiges Ausflugsziel der sozialdemokratischen Jugendorganisation AUF.

Die Berichte von Überlebenden des Massakers auf Utöya sind erschütternd, sie schildern, wie kaltblütig der Täter vorging. Die 22-jährige Nicoline Bjerge Schie berichtete am Samstag in der Zeitung „Dagbladet“ (Onlineausgabe): „Die Schüsse kamen mit etwa zehn Sekunden Zwischenraum und über etwa eine Dreiviertelstunde.“ Die junge Frau hatte sich selbst mit Freunden hinter einem Felsen am Wasser versteckt. Über ihre Eindrücke berichtete sie: „Ich habe ihn nicht gesehen, aber gehört. Er schrie und jubelte und gab mehrere Siegesrufe von sich.“

In der Zeitung „Verdens Gang“ sagte der sozialdemokratische Jugendfunktionär Adrian Pracon, dass der Täter mehrfach schrie: „Ich bringe euch alle um. Alle müssen sterben.“ Im TV-Sender NRK berichtete der ebenfalls überlebende Ali al-Hatem, dass zuerst eine Gruppe Jugendlicher auf den Mann zulief, der als Polizist verkleidet auf die kleine Insel Utöya gekommen war. „Er hat direkt auf alle geschossen, die auf ihn zuliefen“, sagte der junge Mann weiter. Er selbst sei sofort in die andere Richtung gelaufen und habe sich am Wasser versteckt.

Rettungscamp auf der norwegischen Insel Utoya

Reuters/Fabrizio Bensch

Einsatzkräfte versorgen Opfer am Ufer von Utöya.

Teenager schwammen um ihr Leben

„Ich sah, wie sie ins Wasser sprangen, rund 50 Leute schwammen in Richtung Land“, sagte die 42-jährige Anita Lien, die am Tyrifjord-See lebt, wenige hundert Meter von Utöya entfernt. „Die Leute weinten, zitterten, waren völlig verängstigt. Und sie waren so jung, zwischen 14 und 19 Jahre alt.“ Ein Jugendlicher verfolgte die Ereignisse vom Festland aus: „Wir hörten die Leute schreien, es war furchtbar“, erzählt er dem britischen TV-Sender Sky. „Viele winkten zu uns herüber.“ Zahlreiche Anrainer des Sees rückten mit ihren Booten aus, um Jugendliche aus dem Wasser zu retten.

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