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Pilgerstätte für Rechtsextreme

Jahrelang haben sich Rechtsextreme immer wieder am Grab von Adolf Hitlers früherem Stellvertreter Rudolf Heß in Wunsiedel in Bayern versammelt, begleitet von Demonstrationen und Protesten gegen die Nazi-Aufmärsche. Nun wurde das Grab aufgelöst und Heß’ Leiche exhumiert, berichteten die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) und der „Spiegel“ in seiner Onlineausgabe.

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Vor allem zu Heß’ Todestag am 17. August gab es zum Ärger der dortigen Gemeinde Gedenkmärsche mit Hunderten Teilnehmern. Der evangelische Friedhof in Wunsiedel wurde Pilgerstätte der Rechtsextremen. Vor dem Grabstein mit dem Spruch „Ich hab’s gewagt“ wurde mit dem Hitlergruß salutiert.

Bestattung auf offener See

Das Grab wurde den Berichten zufolge bereits geöffnet. Die Gebeine von Heß wurden mit Zustimmung seiner Erben exhumiert. Sie sollten verbrannt, die Asche dann auf offener See bestattet werden, um eine weitere Verehrung von Heß schwieriger zu machen. Erhofft wird, dass damit das Interesse von Neonazis an Demonstrationen in Wunsiedel schwindet.

Rudolf Heß

AP

Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß

Der 1894 in Alexandria geborene Heß wurde 1933 von Hitler zu seinem Stellvertreter ernannt. Im selben Jahr wurde er auch Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Sechs Jahre später wurde er in den Ministerrat für Reichsverteidigung aufgenommen.

Heß trat in der Öffentlichkeit als glühender Anhänger des Führerkults hervor, der sich aktiv an der Judenverfolgung beteiligte. Er war schon 1920 der NSDAP beigetreten. Während des Zweiten Weltkriegs flog Heß 1941 nach Schottland, um Großbritannien zum Friedensschluss zu bewegen. Er geriet in Kriegsgefangenschaft und wurde 1945 dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg überstellt.

Als Märtyrer verehrt

In der rechten Szene gilt Heß als Märtyrer. Er war einer der Hauptangeklagten im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess 1946 und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. 1987 nahm er sich im Alter von 93 Jahren im Berliner Gefängnis Spandau das Leben. Seit 1966 war er der einzige Insasse des Gefängnisses gewesen. In seinem Testament hatte er den Wunsch geäußert, in Wunsiedel begraben zu werden. Seine Eltern besaßen in diesem Ort ein Ferienhaus und sind ebenfalls dort bestattet.

Entferntes Grabmahl von Rudolf Heß

dapd/Lennart Preiss

Das frühere Heß-Grab nach der Auflösung in der Nacht auf Mittwoch

Kirche genehmigte Grab

Dem Wunsch von Heß, im Familiengrab bestattet zu werden, hatte der Vorstand der evangelischen Kirchengemeinde 1987 zögernd zugestimmt. Der Wille des Verstorbenen sollte nicht missachtet werden. Das änderte sich allerdings mit den häufigen Kundgebungen von Rechtsradikalen. Der Pachtvertrag lief nun aus, einer Verlängerung stimmte die Kirchengemeinde nicht mehr zu. Zwar klagte eine Enkelin von Heß gegen die Auflösung. Die Familie wurde aber letztlich davon überzeugt, der Exhumierung zuzustimmen.

Der langjährige Landrat des Kreises Wunsiedel, Peter Seißer, hatte diskret mit Heß’ Nachfahren verhandelt, berichtete die „SZ“. Die Enkelin sah von einer Klage ab.

Rechtsextreme Demonstration zum siebten Todestag von Rudolf Heß in Wunsiedel

APA/EPA/Marcus Führer

Bei einer Kundgebung für Heß 2004 wurden über 100 Menschen verhaftet.

Verbot seit 2005 möglich

In den letzten Jahren konnte die Stadt die Aufmärsche der Rechtsextremen aufgrund eines geänderten Versammlungsrechts 2005 verbieten und eindämmen. Zudem gab es große Gegenkundgebungen. Zuvor waren bis zu 5.000 rechtsextreme Teilnehmer aus ganz Europa in die Stadt gereist, um Heß zu huldigen. Klagen gegen das Verbot der Veranstaltungen wurden regelmäßig abgewiesen.

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