Bier als „Einstiegsdroge“
Russland hat sich schon länger ganz dem Kampf gegen den Alkoholmissbrauch verschrieben. Ab 2012 soll in allen öffentlichen Anlagen ein absolutes Alkoholverbot gelten, ab 2013 dürfen Geschäfte neben Wodka und Wein nachts auch kein Bier mehr verkaufen. Ein entsprechendes Gesetz wurde kürzlich von Kreml-Chef Dimitri Medwedew unterschrieben.
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Russland kann die sinkende Lebenserwartung seiner Bevölkerung nur durch einen Kampf gegen den Alkohol aufhalten. Alkohol sei der wichtigste Faktor für die „starke negative Entwicklung“ bei der Demografie, sagte der Direktor des Berlin-Instituts, Reiner Klingholz, im April. Das nahm nun Medwedew zum Anlass, den Zugang auch zu leichteren Alkoholika wie Bier zu erschweren. Allerdings waren ähnliche Versuche zu Sowjetzeiten - etwa von Präsident Michail Gorbatschow - gescheitert.
Schrumpfende Weltmacht
Die häufigste Todesursache in Russland sind Erkrankungen aufgrund von Alkoholmissbrauch, gefolgt von Todesfällen unter Alkoholeinfluss wie Morde, Selbstmorde und Unfälle. Das führte dazu, dass die Bevölkerungszahl in Russland seit 1993 von 149 Millionen auf 142 Millionen Menschen zurückgegangen ist.
Russland erlebt Bierboom
Das Gesundheitsministerium in Moskau begrüßte das neue Gesetz. Bier sei für Jugendliche die „Einstiegsdroge“ für härteren Alkohol, sagte ein Sprecher. Dagegen kritisieren Russlands Brauer die Einschränkungen als zu hart. Das Verbot betrifft Bier mit mindestens fünf Prozent Alkohol - das laut Medien 80 Prozent der Bierproduktion im Riesenreich ausmacht. Die klassische Wodka-Heimat Russland erlebt seit Jahren einen Bierboom mit zweistelligen Zuwachsraten.
Besonders der Gesundheitszustand von Männern in Russland ist bedenklich schlecht. Mitte der 90er Jahre konnten sie lediglich mit einer durchschnittlichen Lebenszeit von 58 Jahren rechnen. Heute liege die Lebenserwartung von Männern mit 62,8 Jahren noch immer niedriger als in Bangladesch.
15,2 Liter reiner Alkohol pro Kopf
Ärzte warnten vor überzogenen Erwartungen an das neue Gesetz. Sie fürchten, dass sich Alkoholiker bei Verkaufsverboten wieder vermehrt mit Frostschutzmitteln oder anderen Ersatzstoffen berauschen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums werden im größten Land der Erde jedes Jahr pro Kopf durchschnittlich 15,2 Liter reinen Alkohols getrunken.
Wieder Alkohol im Parlament erlaubt
Medwedew hatte bereits eine Null-Promille-Grenze für Autofahrer eingeführt. Allerdings gelten Maßnahmen gegen die Trunksucht in Russland wegen der starken Alkohollobby als eher schwer durchsetzbar. Die Staatsduma hob vor kurzem ein 2006 beschlossenes Alkoholverbot im Parlamentsgebäude wieder auf. Nach fünf Jahren Abstinenz dürfen Abgeordnete dort wieder zum Glas greifen.
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