Zehntausende auf dem Tahrir-Platz
Zehntausende Ägypter haben sich am Freitag auf dem Tahrir-Platz in Kairo versammelt, um einen radikalen Wandel zu fordern. Ihnen gehen die Veränderungen seit der Entmachtung von Präsident Hosni Mubarak im Februar nicht weit genug. Außerdem wollen sie, dass mehr frühere Funktionäre vor Gericht gestellt und dass die Prozesse gegen Mubarak und seine früheren Vertrauten beschleunigt werden.
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Einige Demonstranten forderten den Rücktritt des Innenministers der Übergangsregierung, Mansur al-Issawi. Die Parteien und Aktivisten, die zu der Kundgebung mit dem Slogan „Freitag der Abrechnung“ aufgerufen hatten, hatten Hunderttausende Demonstranten erwartet. Sie trugen Plakate mit der Aufschrift „Die Richter lassen sich Zeit bei den Prozessen gegen sie (die Ex-Funktionäre) und beeilen sich bei den Prozessen gegen die Armen“.

Reuters/Asmaa Waguih
Zehntausende Demonstranten schon am Nachmittag auf dem Tahrir-Platz
Auf Spruchbändern war zu lesen „Unsere Revolution geht weiter“ und „Das Volk fordert die Erfüllung der Versprechen des arabischen Frühlings“. Viele Demonstranten hatten bereits die Nacht in Zelten auf dem Platz verbracht. Für die Redner wurden große Podeste aufgebaut. In der Menschenmenge waren viele Kinder, die ihr Gesicht in den Farben der ägyptischen Flagge geschminkt hatten. Die Demonstranten organisierten auch Kontrollpunkte, um potenziellen Krawallmachern den Zugang zum Platz zu verwehren. Auch in Sues und in Alexandria gingen Tausende auf die Straßen.
Freisprüche für Ex-Minister
Die Demonstranten protestieren gegen die aus ihrer Sicht unzureichende Strafverfolgung brutaler Polizeioffiziere und korrupter Ex-Politiker. In der Stadt Sues war die Lage bereits Mitte der Woche eskaliert, nachdem Offiziere freigelassen worden waren, die an den tödlichen Attacken der Polizeikräfte auf Demonstranten während der Revolution im Jänner und Februar beteiligt gewesen sein sollen.
Die Muslimbrüder kritisierten, dass ein Kairoer Gericht diese Woche drei ehemalige Minister vom Vorwurf der Korruption freigesprochen hatte. Ex-Informationsminister Anas al-Fiki und dem früheren Finanzminister Jussuf Butrus-Ghali war vorgeworfen worden, sie hätten staatliche Gelder für den Wahlkampf der inzwischen aufgelösten Nationaldemokratischen Partei von Mubarak zweckentfremdet.
Wohnbauminister Ahmed al-Maghrabi war wegen des Verkaufs von Staatsland an eine Immobilienentwicklungsfirma angeklagt worden. Nur der ehemalige Handelsminister Raschid Mohammed Raschid, der sich allerdings außer Landes aufhält, wurde wegen Verschwendung öffentlicher Gelder zu fünf Jahren Haft verurteilt.
Regierung kleinlaut
Die Muslimbruderschaft als stärkte politisch organisierte Kraft des Landes verlangt, dass die Armee unter dem Vorsitzenden des Militärrates, Mohammed Hussein Tantawi, die Macht so rasch wie möglich an eine zivile Regierung abgibt. Die Übergangsregierung hat das Festhalten am Fahrplan für die allgemeinen Wahlen angekündigt. Ende September soll das Parlament gewählt werden, danach der Staatspräsident.
Die Übergangsregierung hatte am Mittwochabend betont, die Bürger hätten das Recht zu demonstrieren. Sie sollten aber friedlich bleiben, „um die Errungenschaften der Revolution nicht zu gefährden“, meldeten ägyptische Medien nach einer Kabinettssitzung. Die Regierung soll auch einen Vorschlag für ein neues Wahlgesetz vorgelegt haben, das die Chancen kleiner Parteien auf Sitze im Parlament erhöht. Das Gesetz muss vom Militärrat gebilligt werden, der nach dem Abgang Mubaraks die Macht übernommen hatte.
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