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Über 2.000 Tonnen Abfall in den Straßen

Trotz jahrelanger Versprechen von Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi, die Müllkrise in Neapel in den Griff zu bekommen, versinkt die Stadt erneut in Abfall. Nachdem sich zuletzt bereits über 2.000 Tonnen in den Straßen angesammelt hatten, steckten wütende Bürger den Mist mehrfach in Brand. Nun sollen bewaffnete Wachleute Müllwagen eskortieren.

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Notwendig sei das, da organisierte Banden die Müllkrise weiter anheizen würden, so Bürgermeister Luigi de Magistris am Donnerstag. „Wir werden die Polizei bitten, bewaffnete Wachen für die Lastwagen zu stellen“, erklärte er bei der Unterzeichnung einer entsprechenden Verordnung, die für einen Monat gilt. „Die sanitäre und Umweltsituation ist ernst. Es gibt ein wahres Risiko für die Gesundheit der Bürger.“

In der Nacht auf Freitag musste die städtische Feuerwehr mehrmals ausrücken, nachdem verärgerte Bürger über 50 Abfallberge und Mülltonnen in Brand gesetzt hatten.

„Berlusconi schert sich einen Dreck um Neapel“

Der Mafia-Organisation Camorra warf De Magistris vor, gegen ihn zu sein, weil er eine „Umweltrevolution“ anstrebe, die die Gesetze zur Entsorgung und zum Recycling von Abfällen verschärfe und der Mafia damit eine Geschäftsgrundlage entziehe. Das Geschäft mit der Müllentsorgung ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Camorra.

Soldaten mit Gesichtsmaske stehen neben einer mit Müll vollgeüllter Baggerschaufel

APA/EPA/ANSA/Ciro Fusco

„Müllabfuhr“ per Radlader

Der neu gewählte, linksgerichtete Bürgermeister warf außerdem Regierungschef Berlusconi vor, bei der Müllkrise versagt zu haben. „Berlusconi hat mit seinem Handeln bewiesen, dass er sich einen Dreck um Neapel schert.“ De Magistris hatte Ende Mai die Bürgermeisterwahl in Neapel für sich entschieden und dabei den Kandidaten von Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PdL) ausgestochen. Berlusconi warf seinerseits der neuen Stadtregierung Versagen vor und betonte, „wie immer“ müsse erst er selbst eingreifen, damit etwas passiert.

Neapel bekommt seine Müllentsorgung seit Jahren nicht in den Griff, Deponien und Wiederaufbereitungsanlagen sind überlastet. Außerdem wehren sich zahlreiche Anrainer gegen die weitere Nutzung oder Vergrößerung der überfüllten Deponien. In den vergangenen Monaten hatten sich wieder hohe Müllberge aufgetürmt. Im Mai rückte gar die Armee aus, um der Situation Herr zu werden.

Straßen und Bahngleise blockiert

Bis Donnerstag hatten sich in den Straßen der süditalienischen Metropole bereits rund 2.300 Tonnen Abfälle angesammelt. Es kam zu Bürgerprotesten und Straßenblockaden. In der Nacht zündeten Unbekannte Müllberge an. Verärgerte Neapolitaner blockierten außerdem die Bahnstrecke zwischen Neapel und Caserta, indem sie Berge von Abfall auf die Schienen kippten. Im Bahnverkehr kam es zu erheblichen Verspätungen.

Soldat mit Gesichtsmaske steht im Müllberg

APA/EPA/ANSA/Ciro Fusco

Soldaten werden immer wieder zur Beseitigung der Müllberge abkommandiert.

Im Mai hatte Berlusconi Soldaten in die süditalienische Stadt entsandt, um die Straßen vom Unrat zu befreien. Schon 2008 und im Dezember 2010 hatte die Regierung Soldaten einsetzen müssen, um die Müllberge in Neapel zu bewältigen.

Die Mafia macht die Krise

Die deutsche „Zeit“ verwies zuletzt in einem Artikel auf die Rolle der Mafia als treibende Kraft hinter der chronischen Müllkrise. „Sie verhindert zusammen mit korrupten Politikern eine funktionierende Entsorgung, um den Clans riesige Gewinne durch eine ineffiziente, mit überhöhten Preisen operierende Müllwirtschaft zu sichern.“ Dazu komme, dass zu wenig Deponieflächen vorhanden seien. EU-Inspektoren bemängelten mehrfach, dass seit Jahren keinerlei Fortschritte in der Weiterentwicklung der Entsorgungssysteme der Stadt gemacht worden seien.

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