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Teurer als lebenslange Haft

110 Todesurteile wurden im vergangenen Jahr in den USA gesprochen, 46 Urteile vollstreckt. Die Zahl der Hinrichtungen ist rückläufig, dennoch halten noch immer 34 US-Bundesstaaten an der Todesstrafe fest. Wie kostspielig das sein kann, zeigt eine aktuelle Studie am Beispiel Kalifornien.

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Der Bundesrichter Arthur L. Alarcon und die Rechtsprofessorin Paula M. Mitchell untersuchten die Kosten der Todesstrafe. Seit der Wiedereinführung 1978 in Kalifornien wurden vier Milliarden Dollar dafür ausgegeben. Die 13 durchgeführten Hinrichtungen kosteten demnach jeweils rund 308 Millionen Dollar (214 Mio. Euro), zitierte die „Los Angeles Times“ („LA Times“) vorab aus der Studie, die kommende Woche präsentiert werden soll.

Sollte sich am System nichts ändern, werden die Kosten bis 2030 auf insgesamt neun Milliarden Dollar steigen, wenn die Insassen im Todestrakt auf über 1.000 gestiegen sein werden, warnen die Studienautoren. Derzeit warten in Kalifornien 714 Häftlinge auf die Todesstrafe.

Reform notwendig

Die steigenden Kosten führen die beiden Juristen auf eine Ausweitung der Gewaltverbrechen mit Todesfolge, die mit Hinrichtung bestraft werden können, sowie auf die aufwendigen Berufungen zurück. Umso notwendiger sei eine Reform des Systems. Die Autoren sehen dabei drei Optionen: die Todesstrafe aufgeben, bewahren und noch mehr Geld für Gerichte und Anwälte investieren oder die Zahl der Verbrechen, für die die Todesstrafe infrage kommt, reduzieren.

Demnach koste diese Form der Bestrafung den Bundesstaat Kalifornien 184 Millionen Dollar (128 Mio. Euro) pro Jahr mehr als für zu lebenslanger Haft Verurteilte. Dazu zählen die Kosten für die Verfahren, verstärkte Sicherheitsvorkehrungen im Todestrakt und die Rechtsvertretung für die Verurteilten. Allein für die Sicherheit seien im Vorjahr 72 Mio. Dollar gezahlt worden, berichtete die „LA Times“.

„Gerechtigkeit ist das Geld wert“

Das Todesstrafen-Informationszentrum (Death Penalty Information Center) veröffentlichte schon vor zwei Jahren einen Bericht, laut dem US-Bundesstaaten wie Kalifornien 137 Mio. Dollar pro Jahr für die Todesstrafe ausgeben. Der damalige Gouverneur Arnold Schwarzenegger dachte damals dennoch nicht daran, diese abzuschaffen. Die Wähler hätten darüber abgestimmt, sagte er 2009 in einem Interview: „Gerechtigkeit ist das Geld wert, egal in welcher Budgetkrise wir gerade sind.“ Entscheidend sei aber, die Prozesse zu beschleunigen.

Beschleunigt wurden die Prozesse kaum. Billiger wurde es auch nicht. Die Kosten für eine Anklage im Fall der Todesstrafe sind laut der aktuellen Studie 20-mal höher als jene bei zu lebenslanger Haft Verurteilten. Das billigste Verfahren eines Todeskandidaten koste noch immer um rund 1,1 Millionen Dollar mehr als das teuerste Verfahren für einen Angeklagten, der lebenslang im Gefängnis sein muss. Auch die Auswahl der Geschworenen sei teurer. Für Anwälte zahle der Staat bis zu 300.000 Dollar für Berufungen des Todeskandidaten.

2006 letzte Hinrichtung

Bundesrichter Alarcon schlägt schon länger Alarm, dass das System der Todesstrafe reformiert werden müsse. Bereits 2008 kritisierte er, dass zwischen dem Urteil und der Durchführung der Todesstrafe mehr als 17 Jahren lägen, berichtete die „LA Times“ - das Doppelte des US-Durchschnitts. Mittlerweile ist diese zeitliche Differenz weiter gestiegen. 2006 fand die bisher letzte Hinrichtung in Kalifornien statt.

Todesstrafe ausgesetzt

1972 gab es sowohl vom Obersten Gerichtshof Kaliforniens als auch der USA Entscheidungen, dass die Todesstrafe gegen die Verfassung verstoße. In den USA wurde die Todesstrafe 1976 wieder eingeführt, in Kalifornien nach einer Verfassungsänderung zwei Jahre später.

Eine für 2010 geplante Exekution wurde wegen Bedenken der verwendeten Giftinjektion aufgeschoben. Kritisiert wurde, dass eine falsch verabreichte Injektion den Todeskandidaten besonders leiden lassen würde. Dieser Aufschub führte seither zu einem De-facto-Moratorium der Todesstrafe in Kalifornien.

Umso mehr warnen die Studienautoren davor, dass das System der Todesstrafe weiterhin enorme Kosten verursache und gleichzeitig kaum noch angewendet werde. Denn seit 1978 starben 92 Todestraktinsassen. 13 wurden in Kalifornien hingerichtet, ein weiterer in Missouri. 54 starben einen natürlichen Tod, 18 durch Selbstmord, weitere sechs durch andere Gründe wie Gewalt unter Mithäftlingen.

Mangel an Anwälten

Schon einige frühere Studien zeigten, dass es einen eklatanten Mangel an Anwälten gebe, die Häftlingen im Todestrakt zur Verfügung stehen. Inadäquate Bezahlung sowie entmutigende und fordernde Arbeitsbedingungen seien der Grund, warum weniger als 100 Anwälte für Hinrichtungsfälle zuständig seien, so Michael Millmann, Direktor des kalifornischen Berufungsprojekts, gegenüber der „LA Times“.

Das sei einer der Hauptgründe für die Verzögerung bei der Behandlung von Berufungen der Insassen. Eine Studie der California Commission on the Fair Administration of Justice zeigte schon 2008 auf, dass es durchschnittlich zehn Jahre dauere, bis die Strafe des Verurteilten vom Obersten Gerichtshof Kaliforniens überprüft wird.

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