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„Ehrenrunde“ soll Ausnahme werden

Sitzenbleiben soll in der Oberstufe zur Ausnahme werden: Künftig sollen Schüler der AHS und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) nur dann eine Klasse wiederholen, wenn sie in mehr als drei Fächern negativ sind. Stattdessen sollen nur noch einzelne Module, in die der Semesterstoff künftig unterteilt wird, wiederholt werden.

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Im Falle einer „Ehrenrunde“ bleiben dem Schüler außerdem alle positiven Noten vom vorigen Schuljahr erhalten. 2016 sollen alle 800 Standorte umgestellt sein, am Montag geht der Gesetzesentwurf in Begutachtung, kündigte Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) am Dienstag bei einer Pressekonferenz an.

Lerncoach und Förderkurse

Droht ein Fünfer, sollen die Schüler per Frühwarnsystem informiert werden und sich einen Lerncoach suchen und Förderkurse - je nach Entscheidung der Schule in Gruppen oder individuell - besuchen können. Indem der Semesterstoff in mindestens zwei Module unterteilt werden muss, soll das Lernpensum übersichtlicher werden. Ein negatives Modul kann dabei auch erst im nächsten Semester bzw. Schuljahr ausgebessert werden.

Beim dritten oder (auf Entscheidung der Direktion möglichen) vierten Prüfungsantritt pro Modul soll der Schüler außerdem die Möglichkeit haben, sich von einem anderen als dem Klassenlehrer prüfen zu lassen. Immerhin, so SPÖ-Bildungssprecher Elmar Mayer, gehe es dabei oft auch um „Beziehungsgeschichten“ zwischen Schüler und Lehrer.

Umstellungsphase ab 2012

Derzeit muss schon bei einem Nicht genügend die Klasse wiederholt werden. Davon betroffen sind laut dem Ministerium zehn Prozent der Oberstufenschüler, immerhin fast 9.400 Schüler pro Jahr, sowie 1,6 Prozent an den Hauptschulen und vier Prozent an der AHS-Unterstufe). Nunmehr sollen „Klassenwiederholungen im großen Stil entfallen“, so Schmied.

An den derzeit 27 Standorten, an denen das Kurssystem als Schulversuch läuft, seien dadurch 60 Prozent der Klassenwiederholungen vermieden worden. Noch im Herbst 2011 sollen 15 weitere Schulen auf das System umsteigen, mit dem Schuljahr 2012 beginnt die österreichweite Umstellungsphase im Regelschulwesen.

Dabei sollen die Schulen selbst entscheiden können, ob sie ab der neunten oder zehnten Schulstufe das Kurssystem anbieten. Man wolle den Schulen so viel Autonomie wie möglich geben, so ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon. Dieser betonte auch, dass das Modell nicht nur schwachen, sondern auch besonders begabten Schülern zugutekomme: Diese könnten einzelne Module bis hin zu Teilen der Reifeprüfung vorziehen und Förderkurse besuchen.

Keine zusätzlichen Kosten

Zusätzliche Kosten sollen trotz des Mentor- und Förderkurssystems nicht entstehen. „Es ist klug, das zum derzeitigen Zeitpunkt kostenneutral darzustellen“, so Amon. Schmied verwies darauf, dass durch den Entfall von Klassenwiederholungen viel Geld gespart werde. Laut „Milchmädchenrechnung“ seien es bei 5.000 Schülern zwischen 35 und 40 Mio. Euro pro Schuljahr - „davon lassen sich sehr viele Förderkurse finanzieren“.

Durch die „raschere Durchlaufzeit“, so Schmied, seien auch keine zusätzlichen Lehrer nötig. Dass jene, die als Coach im Einsatz sind, dafür zusätzlich entlohnt werden, ist dabei für Schmied „nahezu selbstverständlich“ - auch wenn mit der Gewerkschaft noch keine Gespräche geführt wurden. In Summe handle es sich dabei aber um kleine Beträge.

Integration bei besonderem Förderbedarf

Neben der modularen Oberstufe wurde am Dienstag auch der Ausbau der Integration nach der achten Schulstufe bekanntgegeben. Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sollen künftig die Polytechnische Schulen bzw. die österreichweit elf einjährigen Haushaltungsschulen besuchen können, auch wenn sie die achte Schulstufe nicht positiv abgeschlossen haben. Bei Bedarf können sie auch nach dem Sonderschullehrplan unterrichtet werden.

Derzeit läuft ein entsprechender Schulversuch an 120 der 265 Polytechnischen Schulen, drei Prozent der rund 20.600 Schüler haben sonderpädagogischen Förderbedarf. Der Gesetzesentwurf soll ebenfalls am Montag in Begutachtung gehen, die Umsetzung soll mit Herbst 2012 starten.

Opposition skeptisch

Für die FPÖ hat sich die Regierung „dem Diktat der Wirtschaft bedingungslos untergeordnet“, so Bildungssprecher Walter Rosenkranz. Aus Sicht der FPÖ könne es aber „nicht gutgehen“, wenn ein Schüler gleichzeitig seine Defizite aufholen und neuen Stoff lernen soll. Den Schülern werde außerdem vermittelt, dass man sich auch ohne Anstrengung durchschummeln könne. Zudem sei die Kostenfrage „völlig offen“.

Der grüne Bildungssprecher Harald Walser fordert, „das in der Praxis bereits erprobte Aufsteigen mit einem Fünfer generell zu erlauben“. Dieser Vorschlag der Grünen wäre auch sofort umsetzbar und gesetzlich gedeckt. Das Modell der Regierung sei hingegen ein „weiteres unausgegorenes Konzept“. Wie die Grünen wirft auch das BZÖ der Regierung vor, eine reine Ankündigungspolitik zu betreiben. BZÖ-Bildungssprecherin Ursula Haubner ist zwar ebenfalls dagegen, dass Schüler wegen eines Nicht genügend im Zeugnis ein Schuljahr wiederholen müssen, es brauche aber „klare, strenge Vorgaben“.

Lob gab es von der Bundesjugendvertretung. Die Maßnahme könne aber „letztendlich nur ein erster Schritt für eine notwendige, weitreichende Reform hin zu einer gemeinsamen Schule“ sein.

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