Themenüberblick

„Grundsatzentscheidung gefallen“

Der deutsche Technologiekonzern Siemens bereitet einem Medienbericht zufolge den Ausstieg aus der Atomkraft vor. „Intern ist die Grundsatzentscheidung für den Ausstieg gefallen“, zitierte das „Handelsblatt“ (Montag-Ausgabe) vorab aus Unternehmenskreisen. Ein Siemens-Sprecher sagte, das Unternehmen werde Spekulationen nicht kommentieren.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Offiziell tut sich der Konzern demnach mit dieser Kehrtwende schwer, weil er gerade erst ein Bündnis mit dem russischen Staatskonzern Rosatom eingegangen war - und eine Brüskierung des Partners negative Auswirkungen auf das gesamte Russland-Geschäft von Siemens haben könnte. Siemens hatte bereits zuvor angekündigt, sein Nukleargeschäft auf den Prüfstand zu stellen. Ein Siemens-Sprecher sagte der Zeitung, die Entscheidung über die künftige Atomstrategie werde man „unter Berücksichtigung von Japan und des weltweiten Marktumfelds“ treffen.

Schlechte Marktperspektiven nach Fukushima

Der Konzern hatte seine schwierige Partnerschaft mit der französischen Areva im Atombereich beendet und wollte stattdessen gemeinsam mit Rosatom weltweiter Marktführer im Kernenergiegeschäft werden. Doch nach der Reaktorkatastrophe im japanischen AKW Fukushima I verschlechterten sich die Marktperspektiven deutlich. Viele Staaten schoben den Bau von neuen Kernkraftwerken auf. Außerdem passt das Atomgeschäft nicht zum grünen Image, das Vorstandchef Peter Löscher dem Konzern verordnet hat. Siemens profitiert unterdessen als Anbieter von Wind- und Sonnenenergie und effizienten Gasturbinen besonders von der weltweit angepeilten Energiewende.

Zusammenarbeit mit Rosatom wird geprüft

Siemens prüfe allerdings weiter die geplante Zusammenarbeit mit Rosatom. Die Partner nähmen sich die Zeit, nach dem Schiedsspruch betreffend die Zusammenarbeit mit Areva das angestrebte gemeinsame Projekt zu analysieren, sagte der Siemens-Sprecher am Montag. Siemens hatte vor zwei Jahren eine Absichtserklärung für ein gemeinsames Unternehmen mit den Russen unterschrieben.

Die Umsetzung scheiterte bisher am Streit mit Areva, mit dem Siemens ein gemeinsame Nuklearunternehmen hatte. Vergangene Woche beendete ein Schiedsgericht die Auseinandersetzung. Siemens muss 648 Millionen Euro an Areva zahlen und darf den Franzosen bis September 2013 bei der Kerntechnik keine Konkurrenz machen.

Ex-Siemens-Chef warnt vor Atomausstieg

Der frühere Siemens-Chef Klaus Kleinfeld hingegen warnte vor Risiken eines schnellen Atomausstiegs in Deutschland. „Eine radikal veränderte Energiepolitik kann zum Risiko für die industrielle Entwicklung in Deutschland werden“, sagte der heutige Vorstandschef des Aluminiumkonzerns Alcoa der „Welt am Sonntag“. „Die Politik muss immer bedenken, dass auf diesem Feld Entscheidungen von heute in zehn, 20 Jahren Auswirkungen haben werden. Und die Industrie wird nur dahin gehen, wo sie verlässliche Rahmenbedingungen vorfindet.“

Kleinfeld begrüßte dennoch die Diskussionen über eine Energiewende: „Die Debatte ist wichtig und richtig. Wir müssen über den Energiemix der Zukunft nachdenken. Ziel muss es sein, nicht nur günstig, sondern auch verlässlich und sauber Energie zu produzieren.“ Ein vorzeitiges Abschalten der Atommeiler könne aber zu unerwünschten Nebeneffekten führen. „Wenn dann Atomstrom aus Frankreich oder Kohlestrom aus Osteuropa importiert wird, um kurzfristig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, dann ist das eine unsinnige Energiepolitik.“

Links: