Beihilfe zum Mord in Tausenden Fällen
Das Landgericht München hat den KZ-Wachmann John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord zu fünf Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sah es am Donnerstag als erwiesen an, dass der 91-jährige gebürtige Ukrainer im Zweiten Weltkrieg Teil des Machtapparats der Nazis war und sich bereitwillig am Massenmord an den Juden beteiligte.
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Als Kriegsgefangener hatte Demjanjuk demnach den Nazis 1943 im Vernichtungslager Sobibor im heutigen Polen geholfen und fast 28.000 Menschen vorwiegend jüdischen Glaubens in die Gaskammern getrieben. Das Gericht musste unter anderem entscheiden, ob Demjanjuk tatsächlich Wachmann in Sobibor war, ob ihm für eine Verurteilung dort eine konkrete Einzeltat nachgewiesen werden müsste und ob Wachmänner überhaupt eine reale Chance hatten, die Teilnahme am Massenmord zu verweigern.
An 16 Massentötungen beteiligt
Demjanjuk war an 16 Massentötungen beteiligt, urteilte das Gericht nach eineinhalb Jahren Prozess. Zwar konnte Demjanjuk keine konkrete Tat zugeschrieben werden. Das Gericht schloss sich jedoch der Argumentation der Anklage an: Da das Lager Sobibor allein der planmäßigen Ermordung von Menschen diente, habe sich jeder mitschuldig gemacht, der dort Dienst tat. Ein Dutzend Holocaust-Überlebende und Angehörige von Opfern aus den Niederlanden nahmen als Nebenkläger an der Urteilsverkündung teil.
Es handelt sich um den womöglich letzten großen NS-Kriegsverbrecherprozess in Deutschland. Der Prozess hatte Ende November 2009 begonnen und sich seitdem vor allem wegen immer neuer Beweisanträge der Verteidigung hingezogen.
Auf Schlusswort verzichtet
Demjanjuk nahm das Urteil am 93. Verhandlungstag ohne jede Regung auf. Der gebürtige Ukrainer, der das Verfahren von einem Rollbett neben der Richterbank mit einer Sonnenbrille über den Augen verfolgte, hatte in dem fast eineinhalbjährigen Prozess geschwiegen.
Der Angeklagte hatte auf das letzte Wort verzichtet. „Nein“, sagte er nur auf die Frage des Vorsitzenden Richters, ob er ein Schlusswort sprechen wolle. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Haft verlangt. Die Verteidigung wollte einen Freispruch und kündigte bei einer Verurteilung an, in die nächste Instanz zu gehen. Der Bundesgerichtshof werde dieses Urteil „ziemlich sicher aufheben“. Es werde nicht der Logik des Landgerichts folgen und einen konkreten Beweis verlangen.
Nach seinem Plädoyer übergab Anwalt Ulrich Busch dem Vorsitzenden Richter Ralph Alt eine dicke Mappe mit 32 neuen Anträgen. Alt fragte: „Sind das eigentlich die letzten?“ Vor den Plädoyers hatte Busch binnen weniger Tage mehr als 400 Anträge gestellt. Die Mehrzahl lehnte das Gericht ab.
Anwalt: „Sündenbock für Deutsche“
Der gebürtige Ukrainer sei ein Sündenbock, der für die Verbrechen der Deutschen büßen solle, sagte Busch zum Abschluss seines fünftägigen Plädoyers am Mittwoch vor dem Münchner Landgericht. „Eine Verurteilung wird John Demjanjuk nicht überleben.“
Demjanjuk sei 40 Jahre von der Justiz verfolgt worden, nun müsse von dem „Verfolgungsopfer“ abgelassen werden, sagte Busch: „Lassen Sie John Demjanjuk im Kreise seiner Familie in Ruhe sterben.“ Wegen Demjanjuks Gesundheitszustand waren mehrere Verhandlungstage geplatzt. Der Haftbefehl müsse aufgehoben werden und Demjanjuk Haftentschädigung bekommen, forderte Busch.
Zuvor hatte der Anwalt das Verfahren in Deutschland als unrechtmäßig bezeichnet. „Deutschland verstößt mit diesem Verfahren direkt und zentral gegen das Legalitätsprinzip.“ Und er meinte, die KZ-Wachmänner als Helfer der Nazis hätten unter Befehlsnotstand gehandelt. Die Wachmänner - zumeist Kriegsgefangene der Nazis - hätten bei Befehlsverweigerung ihren eigenen Tod oder den von Angehörigen riskiert, sagte Busch.
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