Projekt spaltete Ureinwohner
Die Kosmetikfirma Aveda gilt als Vorzeigeunternehmen in Sachen Nachhaltigkeit, Ökologie und fairem Umgang mit Lieferanten. Doch bei einem seiner Prestigeprojekte ist das Image des „grünen“ Konzerns nun in Gefahr. Denn die Idylle rund um den Bezug des Farbpigments Uruku aus dem Amazonas, mit der sich Aveda schmückt, ist schon lange keine Realität mehr.
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Das Farbpigment Uruku verwenden brasilianische Ureinwohner seit Jahrhunderten bei Zeremonien und um sich gegen Sonne und Insektenstiche zu schützen. Die Firma Aveda, 1978 vom gebürtigen Kärntner Horst Rechelbacher in den USA gegründet und 1997 an den Konzern Estee Lauder verkauft, erntet seit 1993 mit Hilfe des Yawanawa-Stammes die Frucht der Uruku-Palme, um sie für Make-up und Lippenstifte zu verwenden. Im Gegenzug wurde der Stamm in seiner traditionellen Lebensweise unterstützt, was ihm wohl das Überleben sicherte.
Geringe Produktion
Doch wie das „Wall Street Journal“ berichtete, ist der Deal mittlerweile nur noch ein PR-Gag: Zunächst würden die Yawanawa gar nicht so viel Uruku erzeugen, wie der Konzern braucht. Von 2008 bis 2010 konnte man das Pigment gar nicht liefern, heuer im Februar brachte die erste Ernte seit Jahren gerade 64 Kilo. Niemals konnten die Ureinwohner genügend produzieren, um davon leben zu können. Weitere Abnehmer neben Aveda fand man ebenfalls nicht.

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Die Frucht der Uruku-Palme
Und ganz so selten und exotisch wie von dem Unternehmen dargestellt ist Uruku auch nicht: Als Annatto wird der Farbstoff weltweit von Lebensmittelkonzernen genutzt, etwa um Makkaroni und Käse orange zu färben. In einem Interview gab Aveda-Chef Dominique Conseil mittlerweile zu, dass man das Pigment nicht ausschließlich von den Ureinwohnern beziehe.
Ambitionierte Pläne
Rechelbacher traf 1992 auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Brasilien Biraci Brasil Yawanawa, den damals jungen Stammesführer, der auf der Suche nach einer wirtschaftlichen Grundlage für das Überleben seiner Gemeinschaft, die zuvor noch von Kautschuksammlern quasi als Sklaven gehalten wurde, suchte. Die Yawanawa waren erst zwei Generationen zuvor mit der Außenwelt in Kontakt gekommen.
Rechelbacher besuchte den Stamm im Dschungel, rasch einigte man sich auf die Lieferung von Uruku. In zwei Jahren sollte die Gemeinschaft wirtschaftlich autark sein, hoffte man. Der Firmengründer schickte eine Anthropologin, um das Projekt zu unterstützen, zwei junge Männer wurden in die USA geschickt, um Englisch zu lernen. Beides sollte sich später rächen.
Viel Startkapital, kaum Erfolge
Als Starthilfe lieferte Aveda Saatgut und Werkzeug, auch für Nahrung und Kleidung kam der Konzern auf. Bald darauf half man auch beim Bau einer neuen Siedlung, eine Schule und ein Gesundheitszentrum wurden gegründet. Man half bei Formalitäten für die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe, und schließlich wurde ein Rechtsstreit finanziert, mit dem das Stammesgebiet verdreifacht wurde. 200.000 Dollar investierte Aveda in den ersten fünf Jahren. Auch die traditionelle Kultur blühte zunächst auf.
Doch die Produktion kam nicht voran: Es dauerte Jahre, bis die erste Ernte eingefahren werden konnte. Nur einmal schaffte man vier Tonnen, in anderen Jahren zerstörten schlechtes Wetter oder Pflanzenseuchen den Großteil der Ernte – oder sie verschimmelte beim langen Transport nach Sao Paolo. 2001 verloren die Yawanawa die Begeisterung an der Sache.
„Mehr Interesse am Marketingaspekt“
Flavio Quental Rodrigues, Botaniker der Universität Acre, besuchte im selben Jahr das Projekt und zweifelte an seiner wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit. Die Pflanzen seien in sehr schlechtem Zustand. „Der bleibende Eindruck ist, dass der Konzern mehr Interesse am Marketingaspekt der Zusammenarbeit mit einer indigenen Gemeinschaft hat als an der Produktion von Annatto“, schrieb er in einem Bericht.
Innerhalb der Gemeinschaft sorgte das Geschäft für Zwietracht. Man stritt darüber, wie die Zuwendungen Avedas verteilt werden, Stammesführer Biraci Brasil wurde von anderen Männern kritisiert, selbst für die polygame Gemeinschaft zu viele Frauen zu haben. Das Fass zum Überlaufen brachte, dass er ein „romantisches“ Verhältnis mit der von Aveda geschickten Anthropologin pflegte.
Gemeinschaft gespalten
2001 kehrte Tashka Yawanawa, ein Cousin Biraci Brasils, von seinem von dem Unternehmen angeregten Aufenthalt in den USA zurück und beanspruchte die Führung der Gemeinschaft. Bei einer Stammesversammlung wurde er schließlich gewählt und versuchte die Annatto-Produktion wieder anzukurbeln. Biraci Brasil und einige weitere Abtrünnige verließen 2008 die Gemeinschaft und gründeten zwei eigene Siedlungen. Mit Aveda will er nichts mehr zu tun haben und setzt nun auf Tourismus und Möbelproduktion. Dem „Wall Street Journal“ erklärte er: „Uns ist klar, dass wir es können und können müssen, unabhängig von Aveda und der Regierung leben zu lernen.“
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