Lieblingsfrau als Islamgelehrte
Nach der Tötung von Osama bin Laden sind 15 Mitglieder seiner Familie in Gewahrsam der pakistanischen Sicherheitskräfte und werden vom Geheimdienst ISI verhört - unter ihnen zahlreiche Kinder Bin Ladens und drei Witwen. Ihre Aussagen sollen Aufschluss über Bin Ladens Leben und die Verzweigungen von Al-Kaida geben. Die USA verstärken den Druck, ebenfalls Zugang zu den drei Frauen zu bekommen.
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Die jüngste von Bin Ladens Frauen ist die 28-jährige Jemenitin Amal Ahmed Abdelfattah. Sie wurde bei dem Angriff auf Bin Laden verletzt. Mit ihr war der Al-Kaida-Chef seit dem Frühling 2000 verheiratet. Diese arrangierte Heirat war auch bei einigen Familienmitgliedern umstritten, war sie doch jünger als einige Kinder Bin Ladens. Zuvor hatte Amals Familie keine Verbindungen zu Al-Kaida. Bin Laden soll mit fünf Frauen insgesamt 20 Kinder gezeugt haben.
Nach Aussage von Amal verließ Bin Laden das Haus in Abbottabad in den vergangenen fünf Jahren nicht. Zuvor verbrachte seine Familie zweieinhalb Jahre in einem Dorf im Norden Pakistans. Demnach verließ Bin Laden die Grenzregion zu Afghanistan bereits zwischen 2003 und 2004 und zog - ohne beunruhigt zu sein - in die urbaneren Regionen im nördlichen Pakistan.
„Favoritin“ Bin Ladens
Auch die zwei Witwen Umm Hamsa und Umm Chaled, beide aus Saudi-Arabien, die zahlreiche Details über das Terroristennetzwerk kennen sollen, sollen noch befragt werden. Der älteste Sohn von Umm Chaled und Bin Laden, Chaled, wurde bei dem US-Angriff getötet.
Vor allem Umm Hamsa galt als „Favoritin Bin Ladens aufgrund ihres Wissens in islamischer Wissenschaft“, sagte Al-Kaida-Mitglied Nasser al-Bahri laut der französischen Tageszeitung „Le Figaro“. Bin Laden soll die heute 62-jährige Umm Hamsa regelmäßig konsultiert haben. Laut Bahri war Umm Hamsa, obwohl sie mit Bin Laden nur ein Kind hatte, „ein bisschen die Mutter aller Dschihadisten“. Sie soll bei Eheschwierigkeiten geholfen und alle Kindern Bin Ladens den Koran gelehrt haben
USA wollen Witwen verhören
Auch die USA hoffen auf das Wissen der drei Witwen Bin Ladens. Sie verstärken den Druck auf die pakistanischen Behörden, die Frauen ebenfalls verhören zu dürfen. Geklärt werden soll dadurch vor allem, ob Behörden im Land offiziell Bescheid wussten, dass der Al-Kaida-Chef in Pakistan lebte, hieß es vonseiten eines US-Beamten.
Gegenüber NBC sagte der US-Sicherheitsberater Tom Donilon, dass Washington bisher keine Anhaltspunkte habe, dass Pakistan mit Bin Laden kooperierte. Allerdings fordert er, dass die pakistanischen Behörden Geheimdienstinformationen von Bin Ladens Zufluchtsort zur Verfügung stellen und Zugang zu den drei Witwen ermöglichen. Medienberichten zufolge ist Pakistan bereit, die Witwen durch die USA verhören zu lassen.
„Fataler Schlag“ gegen Al-Kaida
Bereits jetzt spricht US-Präsident Barack Obama durch die Tötung des Al-Kaida-Chefs von einem „fatalen Schlag“ gegen das Terrornetzwerk. „Das bedeutet nicht, dass wir den Terrorismus besiegen werden“, betonte er aber in der Sendung „60 minutes“ auf CBS. Al-Kaida habe auch in anderen Teilen der Welt „Metastasen“ gebildet, die angegriffen werden müssten. Es gebe aber eine Chance, gegen Al-Kaida vorzugehen.
Zum ersten Mal sprach Obama auch öffentlich über das, was er empfand, als er den Angriff auf das Bin-Laden-Versteck per Bildschirm im Weißen Haus verfolgte. Dort sei es sehr still und angespannt gewesen. „Es waren die längsten 40 Minuten meines Lebens“, gab Obama zu. Nur als seine kleine Tochter Sasha im Alter von drei Monaten Meningitis hatte, sei er ähnlich angespannt gewesen. Seine erste Sorge habe den Einsatzkräften der Navy SEALs gegolten und der Frage: „Wenn ich sie reinschicke, wie kann ich sie auch wieder herausholen?“
Keine Bedenken wegen Bin-Laden-Tötung
Die Erleichterung sei sehr groß gewesen, als die Einsatzkräfte aus dem Gebäude herauskamen und verkündeten: „Geronimo (so der Deckname Bin Ladens) ist getötet worden.“ Obama sagte, nur die wenigsten Mitarbeiter des Weißen Hauses hätten von den Plänen gewusst - auch nicht seine Familie. Die Chance, den Einsatz erfolgreich zu beenden, sei 55 zu 45 gestanden. Es sei nicht sicher gewesen, dass sich Bin Laden zu dem Zeitpunkt in dem Haus aufhielt.
„Es war es wert, das politische Risiko zu tragen und das Risiko für unsere Männer“, sagte Obama. Mit dem Vorwurf, dass bei der Aktion Menschen getötet worden seien, komme er klar. „So nervös ich während des ganzen Prozesses war: Die Tatsache, die mir am wenigsten den Schlaf geraubt hat, war die, dass wir Bin Laden ausgeschaltet haben.“
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