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Wer hat Bin Laden geholfen?

Das US-Vertrauen in Pakistan sinkt weiter: Es sei „unvorstellbar“, dass sich der von einem US-Spezialkommando getötete Osama bin Laden ohne Hilfe längere Zeit in Pakistan habe verstecken können, sagte der Anti-Terror-Berater von US-Präsident Barack Obama, John Brennan, am Montag. Eine US-Spezialeinheit hatte Bin Laden in der Nacht auf Montag im pakistanischen Abbottabad getötet.

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Bin Laden lebte dort offenbar jahrelang unerkannt in einer stark gesicherten Villa unweit einer Militärakademie. Washington führe Gespräche mit der pakistanischen Regierung, warum der Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 so lange unbehelligt in einem befestigten Anwesen kaum zwei Autostunden von der Hauptstadt Islamabad entfernt habe leben können, sagte Brennan. Die USA wollten untersuchen, ob Bin Laden über „irgendeine Form eines Unterstützungssystems in Pakistan“ verfügt habe.

Zur Rolle Pakistans sagte Brennan am Dienstag dem Fernsehsender CNN, die Regierung in Islambad sei „ein starker Partner“ im Kampf gegen Al-Kaida. Zwar habe man bisweilen verschiedene Ansichten. Die Partnerschaft gehe aber weiter.

Pakistans Geheimdienst rechtfertigt sich

Pakistan betonte am Dienstag, vorab nichts über den Einsatz der USA gewusst, aber seit 2009 Informationen mit der CIA geteilt zu haben. „Es wurde von den US-Kräften weder pakistanische Infrastruktur genutzt, noch hat die pakistanische Armee in irgendeiner Form assistiert“, erklärte das Außenministerium in einem Statement. Es werde eine „vollständige Untersuchung“ zu der Frage geben, warum dem Geheimdienst der Aufenthalt von Bin Laden in Pakistan entgangen sei, sagte auch der pakistanische Botschafter in den USA, Husain Haqqani, dem Nachrichtensender CNN am Montag.

„Offensichtlich hatte Bin Laden ein Unterstützungssystem. Die Frage ist: War es Unterstützung innerhalb der Regierung und dem Staat Pakistan oder innerhalb der pakistanischen Gesellschaft.“ Weiters erklärte er: „Wir wissen alle, dass es Menschen in Pakistan gibt, die dasselbe Glaubenssystem teilen, und Extremisten. Es ist also eine Tatsache, dass es Menschen gibt, die ihn wahrscheinlich geschützt haben.“

Pakistan „hat seinen Teil getan“

Pakistans Präsident Asif Ali Zardari wies Anschuldigungen zurück, sein Land habe nicht genug getan, um Bin Laden zu ergreifen. Auch wenn der US-Einsatz gegen den Al-Kaida-Chef „keine gemeinsame Aktion“ gewesen sei, habe ein Jahrzehnt Zusammenarbeit zwischen Pakistan und den USA „zu der Ausschaltung von Osama bin Laden als dauerhafte Bedrohung für die zivilisierte Welt geführt“, schrieb er in einem Gastbeitrag in der „Washington Post“.

Unter der Überschrift „Pakistan hat seinen Teil getan“ fügte er hinzu, Pakistan sehe es als Genugtuung, dass die frühe Mithilfe bei der Identifizierung eines Al-Kaida-Kuriers letztlich zu Bin Laden geführt habe. Weiters erklärte er, Pakistan habe in der Vergangenheit einen hohen Preis bezahlt für seinen Kampf gegen den Terrorismus.

Am Dienstag kritisierte das pakistanische Außenministerium den Einsatz des US-Spezialkommandos als „nicht genehmigte, einseitige Aktion“. Die pakistanische Führung habe keine Kenntnis von der Aktion gehabt und sei „zutiefst besorgt“ über die Art und Weise des Einsatzes.

US-Kongress stellt Finanzhilfe infrage

Mitglieder des US-Kongresses zeigten sich am Montag wütend und fassungslos, dass Bin Laden unbehelligt im Zentrum Pakistans leben konnte. Sie stellten die US-Finanzhilfe für Pakistan infrage, die seit den Angriffen vom 11. September 2001 etwa 20 Milliarden Dollar beträgt. „Unsere Regierung ist in finanziellen Nöten“, sagte die einflussreiche Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat, Dianne Feinstein. Viele Abgeordnete hätten ein Problem damit, ein Land zu unterstützen, das sich nicht mit ganzer Kraft einbringe.

„Pakistan wird ganz schön unter Druck geraten, um uns zu beweisen, dass sie nicht wussten, dass Bin Laden dort war“, sagte Joseph Lieberman, Vorsitzender des Heimatschutz-Ausschusses im Senat.

Auch pakistanische Medien zeigten sich am Dienstag kritisch. „Dass Pakistan den meistgesuchten Mann der Welt hier nicht aufspüren konnte, ist schockierend“, schrieb „The News“. In einem Kommentar der „Daily Times“ hieß es, man werde den Amerikanern die Tatenlosigkeit Pakistans nur schwer erklären können. Unterdessen zeigten pakistanische Fernsehsender immer wieder Archivaufnahmen von Politikern wie Ministerpräsident Yusuf Raza Gilani, die beteuerten, Bin Laden halte sich nicht in Pakistan auf.

Kritik an Geheimdienst ISI

Dem ISI wird immer wieder vorgeworfen, entgegen der Politik seiner Regierung Verbindungen zu den Taliban in Afghanistan und Al-Kaida-Kämpfern im Grenzgebiet zu unterhalten. Immerhin war der rund 10.000 Mitarbeiter starke ISI in den 1990er Jahren maßgeblich an der Ausbildung und Formierung der Taliban-Kämpfer beteiligt. Nach dem Einmarsch internationaler Truppen in Afghanistan reihte sich Pakistan offiziell in die Koalition gegen den Terrorismus ein. Aus alter Verbundenheit gewährte es aber aus Afghanistan fliehenden Taliban-Kämpfern und Al-Kaida-Angehörigen Unterschlupf.

Erst als auch in Pakistan immer mehr Anschläge verübt wurden, ging das Militär in der Grenzregion massiv gegen die Extremisten vor. In einer Studie der London School of Economics heißt es, der ISI unterstütze die Aufständischen in Afghanistan operativ und strategisch „bis hinein in die höchste Führungsebene“. Pakistan bestreitet das vehement.

Wie glaubwürdig ist Pakistan?

Die Beziehungen der USA zu Pakistan waren in der Vergangenheit immer wieder angespannt. Washington hatte Islamabad wiederholt beschuldigt, Verbindungen zu militanten Gruppierungen zu unterhalten, die in Afghanistan US-Truppen attackiert haben. Weiters sorgten US-Drohnenangriffe und die Festnahme eines CIA-Mitarbeiters in Pakistan für Differenzen. Dennoch hatten die USA Pakistan erst Ende des Vorjahres rund zwei Milliarden Dollar (1,4 Mrd. Euro) an Militärhilfe zugesichert. Sicherheitsexperten sehen die Glaubwürdigkeit des Landes allerdings durch die jüngsten Ereignisse massiv infrage gestellt.

Der Nachbarstaat Indien bekräftigte am Montag in einer ersten Reaktion auf den Tod Bin Ladens seine Befürchtungen, dass Terroristen verschiedenster Gruppierungen in Pakistan Unterschlupf fänden. Indien wirft dem Rivalen Pakistan seit langem vor, militanten Gruppen, die Anschläge auf indischem Boden planten, Unterschlupf zu gewähren und sie logistisch zu unterstützen.

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