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Die Rückseite der Gemälde

Der belgische Universalkünstler Jan Fabre fühlt sich in vielen Sparten der darstellenden und bildenden Kunst zu Hause. Während er in Österreich vor allem als Theatermacher mit Arbeiten bei den Salzburger Festspielen und den Wiener Festwochen bekannt wurde, zeigt er nun mit der Ausstellung „Die Jahre der Blauen Stunde“ im Kunsthistorischen Museum (KHM) in Wien eine neue Seite seines Schaffens.

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Für das Museum ist die Zusammenarbeit eine Premiere: Fabres Ausstellung ist die erste eines lebenden Künstlers in den „heiligen Hallen“ der alten Meister. Der Künstler sieht die Schau als den dritten Teil einer Triologie, die 2006 im Königlichen Museum der Schönen Künste in Antwerpen mit „Homo Faber“ ihren Ausgang nahm, 2008 mit „L’ange de la metamorphose“ im Louvre in Paris fortgesetzt wurde und nun in Wien - zumindest aus heutiger Sicht - beendet wird.

Werk von Jan Fabre

Kunsthistorisches Museum

„Tanz zur Blauen Stunde“, 1989, Bic-Kugelschreiber auf Papier, Insekt

Fabre hat für das KHM ganz gezielt Werke aus seiner Serie „Die Blaue Stunde“ ausgewählt - er kannte das Museum bereits von früheren Besuchen. „Mir war klar, ich muss Zeichnungen ausstellen. Denn sie sind der Ausgangspunkt und die Rückseite all dieser Gemälde“, erklärte der Künstler auf der Pressekonferenz zur Ausstellung.

Keine gewöhnlichen Skizzen

Fabres Zeichnungen sind alles andere als gewöhnliche Skizzen: Schon seit 25 Jahren zeichnet er mit blauen Kugelschreibern auf so gut wie jedem Material, kaum eine Oberfläche ist vor ihm sicher: Papier, Seide, Fotografien, Betten und Büsten überzieht er mit der engmaschigen Textur. Die Idee entwickelte sich aus mehreren Performances, erklärte Kurator Jaspar Sharp gegenüber ORF.at. Fabre ließ sich unter anderem für 72 Stunden in einen Raum einsperren und überzog alles, was ihm in die Hände kam, mit der blauen Tinte des Kugelschreibers.

Die Werke, die nun in Wien zu sehen sind, zeigen einen Querschnitt durch die in 25 Jahren bemalten Flächen. Die Arbeiten sind Leihgaben von Privatsammlungen und internationalen Museen wie dem Stedelijk Museum in Amsterdam oder dem Kiasma Museum für Gegenwartskunst in Helsinki. Darunter zwei überdimensionale Vorhänge aus Seide, die ganze Wände der Gemäldegalerie hinter sich verbergen, kleine Miniaturen und ein Triptychon.

Breite Palette an Blautönen

Obwohl alles mit dem gleichen Werkzeug, einem Bic-Kugelschreiber, bemalt wurde, entstand aufgrund der unterschiedlichen Untergründe im Laufe der Jahre eine breite Palette an Blautönen. Papier wölbt sich unter dem Druck des Stiftes stark und ähnelt schließlich einem kartografischen Relief, manche Arbeiten bleichen ins Pastellige aus. Auf Fotopapier hingegen bleibt die Tinte kräftig und dunkel, auf einer Gipsbüste wirkt sie fast schwarz.

Der Titel der Serie „Die Blaue Stunde“ ist den Schriften von Fabres Urgroßvater Jean-Henri Fabre entlehnt, der sich als Insektenforscher intensiv mit dem mystischen Moment des Übergangs von der Nacht zum Tag und umgekehrt beschäftigte. Die verarbeiteten Themenkomplexe wie Metamorphose und Wiedergeburt finden sich auch bei den alten Meistern.

„Auch wenn Sie meine Arbeit nicht mögen, auch wenn Sie sie schrecklich finden, werden Sie die Gemälde der Galerie anders sehen“, prophezeite Fabre. „Es gibt ein Echo zwischen den Galerien, eine offene Erzählung, in die man eintauchen kann, wo immer man möchte“, erklärte Sharp das Konzept der korrespondierenden Kunst. Fabres Werke sind oberhalb, unterhalb und an manchen Stellen auch statt der alten Meister platziert.

Die Vermessung des Himmels

Bereits in der Empfangshalle stoßen Besucher des Hauses auf Riesenskulpturen Fabres: „Haus in Flammen I und II“ - zwei Totenschreinkonstruktionen aus Holz, die mit einem dichten Geflecht der blauen Kugelschreiberlinien überzogen sind. Doch auch von außerhalb des Museums ist Fabres Ausstellung zu sehen. Mittig auf dem Dach des Gebäudes, vor der Kuppel, steht die Skulptur „Der Wolkenvermesser“ (1998), ein lebensgroßer Bronzeabguss des Körpers des Künstlers.

Ausstellungshinweis

„Die Jahre der Blauen Stunde“, bis 28. August, Kunsthistorisches Museum Wien, täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, donnerstags bis 21.00 Uhr, montags geschlossen. Zur Ausstellung erscheint Ende Mai ein Katalog.

Ausgangspunkt für die erstmalige Zusammenarbeit mit einem zeitgenössischen Künstler, war „das Interesse daran, zu erkunden, was die alten Meister für die Kunstproduktion im 21. Jahrhundert bedeuten“, so die Generaldirektorin des KHM, Sabine Haag, gegenüber ORF.at. „Wenn wir zeitgenössische Künstler zu uns einladen, lernen wir durch ihren Blickwinkel mehr über unsere eigenen Sammlungen.“

Das Fabre-Gastspiel ist der Auftakt für eine Serie von Auseinandersetzungen mit moderner Kunst, die künftig in Dialog mit den alten Werken treten soll, verriet Haag, wenn auch künftig in wesentlich kleinerem Umfang. „Für Jan Fabre ist es eine sehr kleine und bescheidene Ausstellung, für uns ist es eine sehr große“.

Sophia Felbermair, ORF.at

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